Die Stadt Wolfsburg hat mit der „Wolfsburger Lupe“ ein digitales Bildungsportal auf den Weg gebracht. Petra Ringmann, Leiterin des Referats Strategisches Bildungsmanagement in Wolfsburg, und Thomas Helmke, stellvertretender Referatsleiter, haben diesen Prozess 2019 angestoßen und koordiniert. Wir wollten von ihnen wissen, welche Auswirkungen das Portal auf die Zusammenarbeit der Bildungsakteure hat und welche Idee sie selbst von einer analog-digital vernetzten Bildungslandschaft haben.
Frau Ringmann, Herr Helmke, Sie haben 2019 die „Wolfsburger Lupe“ auf den Weg gebracht. Wie ist sie entstanden?
Petra Ringmann: Der Impuls für die Plattform kam aus unserer Bildungslandschaft. Hier haben wir bereits vor Jahren das Thema „Digitale Bildung“ priorisiert. Fünf verschiedene Arbeitsgruppen haben sich mit dem Thema entlang der Bildungsbiografie beschäftigt. Im Bereich der non-formalen und informellen Bildungsangebote zeigte sich, dass es zwar eine große Vielfalt an Angeboten gab, wir jedoch mehr Transparenz benötigten. Die Wolfsburger Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Bildungsanbietenden selbst sollten durch das Portal einen besseren Überblick bekommen.
Thomas Helmke: Außerdem wollten wir kleinen Vereinen und Institutionen die Möglichkeit verschaffen, ihre Angebote professionell darzustellen. Schließlich leisten auch sie einen sehr wichtigen Beitrag für die Wolfsburger Bildungslandschaft. Diesen wollten wir sichtbarer machen!
Petra Ringmann: Heute übersetzen wir die Inhalte der „Lupe“ in zehn verschiedene Sprachen. Doch bis dahin war es ein langer Weg. Sämtliche Akteure und Bildungsangebote entlang der Biografie waren eingebunden. Wir haben den Prozess mit 1,5 Projektstellen im Rahmen des Modellprojekts Smart City umgesetzt. Dabei hat uns eine IT-Firma unterstützt, die viel Erfahrung mit Beteiligungsprozessen hatte.
Welche Auswirkung hat bzw. hatte die Entwicklung des Portals auf die Zusammenarbeit der Akteure im Bildungsbereich?
Thomas Helmke: Durch das Bildungsportal sind neue Austausch- und Vernetzungsformate im analogen Bereich entstanden. Wir laden einmal im Jahr sämtliche Institutionen, die auf der Wolfsburger Lupe vertreten sind, zu einer Feedbackveranstaltung ein. Dort fragen wir nach den Erfahrungen mit der Lupe und diskutieren Ideen für die Weiterentwicklung des Portals. Diese Veranstaltungen sind eine gute Gelegenheit, auch über Themen zu sprechen, für die es sonst kaum Raum gibt.
Über das Portal bekommen wir außerdem eine Menge Informationen, die wir vorher nicht hatten. So können wir z. B. sehr genau sagen, welche Angebote es für eine bestimmte Zielgruppe gibt. Solche Informationen geben wir dann in unseren Treffen in Präsenz an die Anbietenden weiter. Die Akteure können gemeinsam überlegen, ob und was es noch zusätzlich braucht und wie sie ihre Planungen besser aufeinander abstimmen. So fördern wir Vernetzung und Kooperation.
Außerdem können wir durch das Portal sehr gut sehen, nach welchen Themen und Schlagworten die Bürgerinnen und Bürger suchen. Dadurch können wir zu einem besonders gefragten Thema z. B. Merklisten mit den wichtigsten Angeboten und Ansprechpartnerinnen und -partnern erstellen.
Würden Sie sagen, in Wolfsburg gibt es bereits eine analog-digital vernetzte Bildungslandschaft?
Petra Ringmann: Auf jeden Fall! Wir haben große Fortschritte in vielen unterschiedlichen Bereichen gemacht. Im schulischen Bereich haben wir z. B. das Lernmanagementsystem WOBILA geschaffen. Dort können Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler digitale Dienste zum Arbeiten, Lernen und zum Kommunizieren nutzen. Die Volkshochschule und die Stadtbibliothek arbeiten kontinuierlich an der Digitalisierung ihrer Angebote. Einen großen Gewinn sehen wir außerdem in der Entwicklung von hybriden Lernumgebungen.
Vor ca. zwei Jahren haben wir uns das Ziel gesetzt, die digitalen Kompetenzen von Bürgerinnen und Bürgern bestmöglich zu fördern. In diesem Jahr haben wir z. B. einen Medienentwicklungsplan für die Frühkindliche Bildung auf den Weg gebracht. Pädagogische Fachkräfte erhalten damit mehr Knowhow, wie sie digitale Medien in den Unterrichts- oder Kita-Alltag integrieren können. So werden z. B. in einem Kita-Projekt die Kinder befähigt, mit einem I-Pad in die Rolle von Forschenden zu schlüpfen.
Thomas Helmke: Aber wir können natürlich immer noch mehr machen. Eine Idee für die Zukunft ist, dass Ratsuchende nicht nur nach Begriffen suchen, sondern mithilfe von KI auch Antworten auf eine konkrete Fragestellung finden. Eine intelligente Software versteht dann nicht nur die Worte der Anfrage, sondern kann auch den Kontext der Suchanfrage zuordnen und damit ein noch passenderes Ergebnis liefern.
Was ist für Sie eine analog-digital vernetzte Bildungslandschaft?
Thomas Helmke: Je mehr Angebote wir im digitalen Bereich schaffen, desto mehr braucht es auch den fokussierten, analogen Austausch – den persönlichen Kontakt. Ich verstehe die analog-digital vernetzte Bildungslandschaft als einen fortlaufenden Prozess, der konkrete Ziele braucht und eine klare gemeinsame Ausrichtung der Akteure. Ein Bildungsportal kann da ein Baustein sein, ein guter Anlass um sich gemeinsam Gedanken über die Zukunft zu machen. Für mich persönlich ist es schon ein großer Erfolg, wenn sich durch diesen Impuls zwischenmenschliche Kontakte vertiefen und neue Kooperationen entstehen.
Petra Ringmann: Für mich bedeutet eine analog-digital vernetzte Bildungslandschaft, dass Bürgerinnen und Bürger unabhängig von Sprache und Bildungsstand die für sie passenden analogen oder digitalen Bildungsangebote finden und nutzen können. Eine Person mit Migrationsgeschichte kann z. B. mithilfe von Online-Sprachangeboten ihre Deutschkenntnisse ausbauen und gleichzeitig am analogen Unterricht teilnehmen. Eine analog-digital vernetzte Bildungslandschaft muss so aufgestellt sein, dass sich Bürgerinnen und Bürger jederzeit das optimale Lernarrangement zusammenstellen können.
Was würden sie anderen Kommunen, die sich noch am Anfang befinden, mit auf den Weg geben?
Thomas Helmke: Ein guter Einstieg ist es, sich vor Augen zu führen, was es eigentlich alles schon gibt. Und sich dafür auch mit den Kolleginnen und Kollegen aus anderen Dezernaten zusammensetzen und gemeinsam zu überlegen, ob das Portal als ein eigenständiges Produkt entwickelt werden sollte oder ob es in bestehende digitale Informationsangebote integriert werden kann. Wenn man auf ein etabliertes Produkt zurückgreift, etwa auf eine Bürger-App oder die Internetseite vom Stadt- bzw. Landkreismarketing, spart das natürlich Ressourcen.
Petra Ringmann: Wichtig ist, eine konkrete Vorstellung vom Produkt zu entwickeln. Hierfür sollte man die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Bildungsanbietenden fragen, was es braucht. Dann gilt es zu priorisieren: Was sind die zentralen Dinge, die auf der Plattform umgesetzt werden sollen? Dabei sollte man von einer zwei- bis dreijährigen Projektphase ausgehen und sich auch Gedanken machen, wie das Produkt verstetigt werden kann, wenn Projektmittel auslaufen.
Sabine Lucks, Wissenstransfer