Online-Fachforum
Der Einladung von TransMit und dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus zum Online-Fachforum „Bildung in Kommunen – Bildungsmanagement in Sachsen“ am 16. November 2021 folgten 86 Personen. Bildungsverantwortliche aus den Kommunen, aus dem Ministerium, dem Landtag und vom Bund tauschten sich über den aktuellen Stand des Bildungsmanagements in Sachsen aus.
Die Kamera-Linsen sind geputzt, die Internet-Verbindung ist stabil und ein Glas Wasser steht bereit. Das Online-Fachforum kann beginnen. Viele schalten sich vor dem offiziellen Beginn zu einem Technik-Check ein und stellen sich selbst und ihren Arbeitsbereich auf einer Pinnwand vor. In den vergangenen Wochen haben die Veranstalter, TransMit und das Sächsische Staatsministerium für Kultus (SMK) sowie die Referentinnen und Referenten versucht, alle Details dieser Online-Veranstaltung zu bedenken, die ursprünglich vor Ort in Dresden geplant war.
So hieß es, kurzfristig von analog auf virtuell zu schwenken. Was am Stehtisch mühelos gelingt – ins Gespräch kommen, Eindrücke teilen, für gute Stimmung sorgen –, braucht virtuelle Entsprechungen. Wir verschickten analog Tagungspost, richteten Gruppenräume ein und bereiteten Umfragen vor. Die Veranstaltung nannten wir Forum, weil wir unterschiedliche Sichten auf Bildungsmanagement in Sachsen aufzeigen wollten. Die zugeschalteten Teilnehmenden sind deshalb ausdrücklich eingeladen, sich im Chat mit ihren Anmerkungen, Fragen und Ideen zu beteiligen.
Für das Fachforum haben wir uns gemeinsam mit dem SMK vorgenommen, die Ergebnisse und Erfahrungen im Bildungsmanagement und der Bildungsverwaltung in sächsischen Kommunen zu präsentieren, zu hören, was die Wissenschaft zu der Programmatik und den Zielen von Bildungslandschaften sagt und wie Kommunen, Land und Bund als Verantwortungsgemeinschaft für die Bildung wirken können. Ein ambitioniertes Programm, an dem Covid-19 seine Spuren hinterlässt.
Bildungsmanagement in der Pandemie
Das Forum beginnt bereits mit der Begrüßung: Jenny Richter, Projektleiterin der TransMit, verliest das Grußwort des Sächsischen Kultusministers Piwarz, der leider aufgrund seiner Corona-Erkrankung nicht dabei sein kann. Zudem umreißt sie, was Bildungsmanagement während der Pandemie geleistet hat: „Wir haben eindrucksvoll erfahren, wie Bildungsmanagement und -monitoring in den sächsischen Transferkommunen die Verwaltung in den vergangenen 1,5 Jahren sehr schnell unterstützen konnten – sei es mit Elternbefragungen zum Homeschooling oder schnell Online-Informationen für die Öffentlichkeit bereitzustellen bis zu Vernetzungsmöglichkeiten von Bildungsakteuren über die Webseite der Verwaltung.“
Bildungslandschaften gibt es seit 1995
Dr. Stefanie Schmachtel von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg führt uns in ihre Forschungen zu Bildungslandschaften ein. Sie beginnt mit einer notwendigen Definition, denn vielerlei Interpretationen bestimmen den Diskurs. Bildungslandschaften sind „kommunal abgestimmte Systeme von Bildung, Betreuung und Erziehung“, die über die Schule hinaus non-formales und formales Lernen als Querschnittsaufgabe umfassen. Ein Blick in die Genese von Bildungslandschaften zeigt, dass diese bereits seit 1995 in Nordrhein-Westfalen existieren. Über die Zeit haben sie thematische, regionale und funktionelle Veränderungen erfahren.
„Wichtig ist, Bildungslandschaften als Lernanlass zu nehmen, der uns erlaubt, Bildung institutsübergreifend vom Adressaten aus in den Blick zu nehmen.“
Ein kritischer Blick auf Erwartungen und Wirkungen
Schmachtel spricht von nicht eingelösten Erwartungen, „Enttäuschungen“, die sich u. a. aufgrund des eingeschränkten Fokus auf Kita und Schule oder der Nicht-Beteiligung der Adressaten erklären lassen. Bildungslandschaften würden, so die Referentin, mit Wirkungsversprechen überfordert, die vor allem im pädagogischen Bereich schwer einzulösen bzw. nicht überprüfbar seien. Sie empfiehlt der neuen Generation von Bildungslandschaften, diese „als Lernanlass zu nehmen, der uns erlaubt, Bildung institutsübergreifend vom Adressaten aus in den Blick zu nehmen.“
Ebenso rät sie, viele Sichtweisen auf Bildung in der kommunalen Zusammenarbeit zuzulassen, um beispielsweise die Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. Dabei helfe es, über den eigenen Tellerrand zu schauen und zu überlegen, wie der Beitrag der eigenen Institution in einen größeren Zusammenhang gestellt werden kann („Literalität“).
Zuletzt spricht die Referentin von ordnungs- und strukturpolitischen Problemen, die oftmals „der rosa Elefant im Raum“ seien und nicht ausgesprochen würden. Schmachtel traut sich und spricht Handlungszwänge, Präventionsrendite, Konflikte sowie Förderlogiken an, die analysiert und verbessert gehören. Mit ihrem Aufruf zu einer institutsübergreifenden Solidarität leiten wir die Diskussionsrunde mit den Zuhörerinnen und Zuhörern ein.
Vier Foren mit Inputs aus der kommunalen Praxis
Das Bildungsmanagement in den sächsischen Kommunen ist in vielen Arbeitsfeldern aktiv. Vier davon wählten die TransMit und das SMK aus, um Ergebnisse und Erfahrungen der Akteure aus erster Hand vorzustellen. Die Foren wurden dicht gepackt mit praxisnahen Inputs zu integrierten Sozial- und Schulnetzplanungen, zum System der Beruflichen Orientierung, zur strategischen Entwicklung von Bildungslandschaften und Formaten der Bildungsberichterstattung.
Die Rückkehr nach einer Stunde aus den Foren kommt für viele zu früh, denn für Diskussionen bleibt zugunsten der dichten Vorträge nicht in jedem Forum genug Zeit. Dafür füllt sich die Pinnwand zur Vernetzung. Wir ermutigen die Teilnehmenden einige Informationen zu sich und ihrer beruflichen Tätigkeit zu hinterlassen. Sie geben Anlass, sich in einem der eingerichteten Teilgruppenräume zu verabreden. Die Räume tragen Namen sächsischer Orte – wie Postmeilensäule Grimma, Pfaffenstein, Frauenstufen Meißen, Junge Garde Dresden.
Mit einem Chatgewitter aus dem Mittagstief
Nach drei Stunden Videokonferenz braucht es eine echte Pause. So verabschieden wir uns in die Mittagspause. Mit einem „Chatgewitter“ zur Pausengestaltung, zu dem die Tagesmoderatorin Ulrike Richter einlädt, kommen die Tagungsgäste zurück. Die meisten haben „gegessen“, andere „Kaffee gekocht“, „Kollegen kontaktiert“, „telefoniert“, „die Kinder versorgt“, „Spülmaschine ausgeräumt“, „sich bewegt“ oder waren sogar „Laufen“.
Beste Voraussetzungen, um in die Gesprächsrunde zu starten, die Alexander Lorenz, Kommunalberater der TransMit, moderiert. Nach einem letzten Check während der Pause betreten Dr. Andrea Ruyter-Petznek (BMBF), Jörg Höllmüller (Landkreis Mittelsachsen), Ralf Burghart (Stadt Chemnitz) und Gerald Heinze (SMK) die virtuelle Bühne.
Gesprächsrunde mit Teilnehmenden von Bund, Land und Kommune
Die Frage, was die Pandemie im jeweiligen Arbeitsbereich aufgedeckt habe, beantwortet Ralf Burghart anerkennend stolz für die Verwaltung der Stadt Chemnitz: „Dass wir in der Lage sind, mehr zu leisten als wir uns das je zugetraut haben. Wir können die Aufgaben schaffen, wenn wir sie im engen Schulterschluss angehen.“
Wie arbeitet Bildungsmanagement während und nach der Pandemie weiter? Im Landkreis Mittelsachsen, so Jörg Höllmüller, übernahm das Bildungsmanagement die Funktion einer Austauschplattform, um Entscheidungen im Bildungsbereich anhand von gut geführten Daten zu treffen. Auch zukünftig werden hier Bildungsmanagement und integrierte Sozialplanung eng zusammenarbeiten.
Dr. Andrea Ruyter-Petznek gibt einen Ausblick für das Bildungsmanagement nach der Pandemie, indem sie Eckpunkte des neuen Programms „Bildungskommunen“ des BMBF vorstellt, was so schnell wie möglich starten soll. Sie hofft darauf, dass es die Bedarfe auch in Sachsen treffe und sich viele sächsische Kommunen daran beteiligen werden.
Gemeinsam gestalten Kommunen, Land und Bund die Bildungslandschaft – jeder Akteur in seinem originären Arbeitsfeld. Bei den Übergängen zwischen den Bildungsinstitutionen zeigen sich Überschneidungen, auch Konkurrenzen. Mit den Fragen „Was bringt uns gemeinsam voran? Was braucht es, damit Kommunen, Land und Bund ihrer gemeinsamen Verantwortung gerecht werden?“ wollen wir diesen Aushandlungsbereich zwischen den Akteuren der drei Ebenen sichtbar machen.
Die gute Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Land die Schule betreffend wird gelobt, ebenso die der Landkreise untereinander. Gerald Heinze hebt positiv hervor, dass in Bund-Länder-Programmen die Länder ihre Schwerpunkte selbst setzen können. Als Beispiel nennt er „Bildungsketten“.
„Bund, Land, Kommunen werden unter heftigen finanziellen Druck kommen. Wichtig ist hier, sich gut aufzustellen, um die Dinge, die wir gemeinsam als wichtig erkannt haben, auch möglichst in eine Zukunft fortzuführen.“
Im Gespräch werden auch Wünsche an Förderprogramme formuliert: So arbeiten viele Akteure mit Projektförderung an Schulen und im Übergang Schule – Beruf, die wiederum mit Programmmitteln koordiniert werden. Nicht immer treffen die Förderprogramme die Bedarfe vor Ort, sodass die Kommunen keinen Antrag einreichen und eher aus eigener Kraft Projekte initiieren. Zudem richten sich einige Förderprogramme des Bundes an Landkreise und kreisfreie Städte, die sich bundesweit in Größe, Einwohnerzahl und Strukturen stark unterscheiden.
In Bezug auf sächsische Großkreise wird vorgeschlagen, kleinere Bezugsräume zuzulassen, die etwa den Mittelbereichen der Regionalplanung entsprechen. TransMit wird als Mittlerin zwischen Bund und Kommunen gelobt und ihre Rolle als kritische Freundin betont. Moderator Lorenz dankt für die Anregungen aus den Kommunen, von Land und Bund in dieser bislang einmaligen Runde.
Publikumsumfrage: Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit Kommune, Land und Bund im Bereich Bildung gut zusammenarbeiten?
Auf die Frage im Chat reagierten die Teilnehmenden prompt: „Wollen, Wissen und Ressourcen“, „Offenheit, gemeinsame Zielstellung, Verbindlichkeit“, „Augenhöhe und ein Verständnis dafür, dass alle drei Ebenen einen Anteil und eine Verantwortung am Thema Bildung tragen“, „Verständnis für die jeweiligen Handlungsrahmen“, „realistische Erwartungen“, „gemeinsame Zielverständigung und auf die jeweiligen Ebenen heruntergebrochene Umsetzungsschritte mit Feedbackschleifen auf kurzen Wegen“, „alle sollten den gleichen Wissensstand haben und die Problemlagen kennen“, zudem sollte es „Chef-innen-Sache“ sein. Die Antworten zeigen, dass hier erfahrene Praktikerinnen und Praktiker am Werk sind, die von den Voraussetzungen für die Zusammenarbeit zwischen Institutionen wissen.
So schließen wir das Bühnenprogramm und begeben uns in die bekannten virtuellen Pausenräume, die allen bis 15 Uhr offenstehen. Abschließend wünscht Gerald Heinze in seinem Schlusswort den Teilnehmenden, Stärkung, Ideen und Kontakte aus dem Fachforum mitzunehmen.
Über die Feedback-Umfrage direkt im Anschluss erhalten wir u. a. Lob für die „Tagungspost“, „gute Themensetzung“, „kreative Umsetzung“ sowie Hinweise, „weniger, knappere Inputs, dafür mehr Zeit für Diskussion“, „schneller sprechende Moderatorinnen“, die wir in kommenden Veranstaltungen gern berücksichtigen. Die nächste Gelegenheit klopft bereits an die Tür, denn im Frühjahr 2022 soll das nächste Fachforum den Stand des Bildungsmanagements in Sachsen-Anhalt beleuchten.
Ulrike Richter, Veranstaltungen