Im Rahmen des Förderprogramms „Bildungskommunen“ machen sich Kommunen in Sachsen, Sachsen‐Anhalt und Thüringen an die Weiterentwicklung ihrer Bildungslandschaften. In unserer Reihe „Neustarter“ sprechen Mitarbeitende aus den Bildungskommunen über das Projekt, die Ziele und die damit zusammenhängenden Herausforderungen. Im folgenden Interview geben Nicole Kockrick und Eva Bräuer, die das Projekt in Hoyerswerda managen, einen Einblick.
„Bildungskommunen“ ist ein vielfältiges Förderprogramm. Welche Ziele verfolgt die Stadt Hoyerswerda mit dem Projekt?
Kockrick: Die Stadt Hoyerswerda verfolgt mit dem Projekt „Bildung im und für den Wandel in Hoyerswerda“ das Ziel, eine vielfältige Bildungslandschaft zu schaffen, die den neuen Herausforderungen des Strukturwandels in der Region aktiv begegnet. Der Kohleausstieg und die Umorientierung der Region erfordern neue Ansätze in der Umweltbildung und ein breiteres Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Auch steigt die Bedeutung einer technologieorientierten Arbeitswelt stetig und erfordert die Implementierung neuer Lehrmethoden und die Vorbereitung auf digitale Berufsfelder. Wir möchten Schülerinnen und Schülern Perspektiven in Zukunftsbranchen von Hoyerswerda bieten und gleichzeitig die Abwanderung verhindern. Die regionale Wirtschaft braucht zunehmend Fachkräfte in Bereichen wie Technologie, erneuerbare Energien und Pflege.
Unsere Schulen müssen frühzeitig auf diese Bedürfnisse vorbereiten und dabei auch durch Inklusion sowie Integration aus allen Ressourcen schöpfen. Ein wichtiger Aspekt für uns als Bildungskommune Hoyerswerda ist die Schaffung inklusiver Strukturen in der beruflichen Bildung und Arbeitswelt. Wir wollen neue Perspektiven für unterschiedliche Neigungen, Begabungen und Bildungsziele eröffnen und helfen, auch Menschen mit Beeinträchtigung durch Bildung in Arbeit zu bringen. Alle Schülerinnen und Schüler müssen die gleiche Qualität von Bildung erhalten.
Wie setzt die Stadt Hoyerswerda diese Bildungsziele um?
Bräuer: Bereits im Jahr 2005 wurde in Hoyerswerda der Grundstein für eine gemeinsame Bildungslandschaft gelegt. Bildung gilt seither als zentraler Faktor der Stadtentwicklung. 2006 entstand das „Fit fürs Leben“-Konzept, das später im „Handlungskonzept Bildung“ festgeschrieben wurde. Keiner geht verloren! Dieses Konzept bildet bis heute die Grundlage für das bildungsorientierte Denken und Handeln aller Beteiligten und betrachtet Bildung als lebenslangen Prozess, der durch vielfältige Angebote unterstützt wird. Diese gilt es sichtbarer zu gestalten und das Handlungskonzept unter Berücksichtigung des aktuellen Strukturwandels zu aktualisieren.
Zur Umsetzung dieses Konzepts wurde die Koordinierungsstelle Bildung eingerichtet, die darauf abzielt, die Qualität des Bildungssystems in Hoyerswerda kontinuierlich zu verbessern. Ebenso unterstützt der Bildungsbeirat die strategische Ausrichtung der Bildungslandschaft und entwickelt Initiativen zur Bildungsqualität und Chancengleichheit in Hoyerswerda. Der Bildungsbeirat wurde im November 2015 ins Leben gerufen und fördert durch seine Zusammensetzung aus bundesweit tätigen Wissenschaftlern und Pädagogen mit langjähriger Expertise im Bildungssektor die Vernetzung relevanter Akteure.
Zusammen mit der Koordinierungsstelle spielt der Bildungsbeirat eine zentrale Rolle im Rahmen des Projekts „Bildungskommune“. Sie fungieren für uns als beratende Gremien, sodass die Bildungslandschaft der Stadt durch eine noch stärkere Vernetzung nachhaltig gestaltet und weiterentwickelt werden kann. Als Projekt wollen wir dabei konzeptionelle und praktische Impulse zur weiteren und digital gestützten Vernetzung geben, zum Beispiel durch ein datenbasiertes kommunales Bildungsmanagement.
Was wollen Sie im ersten Jahr des Projektes erreichen?
Kockrick: Die erste Aufgabe besteht darin, die verschiedenen Akteure der Bildungslandschaft Hoyerswerda zu identifizieren und sie im Hinblick auf das Bildungsmonitoring näher kennenzulernen. Dies unterstützt nicht nur die Datenerhebung, sondern fördert auch die Netzwerkarbeit und den Ausbau von Kooperationen. Dabei wird auf bestehende Daten, laufende Projekte und das aktuelle Handlungskonzept Bildung der Stadt Hoyerswerda aufgebaut.
Bräuer: Zudem möchten wir alle Beteiligten, die im Bereich berufliche Orientierung und Studienplanung aktiv sind, in einem gemeinsamen Arbeitskreis zusammenführen. Dies soll den Austausch zwischen den Akteuren fördern und bestenfalls zu einem abgestimmten Orientierungsprozess für die Schülerinnen und Schüler in Hoyerswerda führen. So erwarten wir, dass die berufliche Orientierung strukturierter wird und eine individuellere, nachhaltige Berufswahl ermöglicht.
Wie ist das Projektteam aufgestellt?
Kockrick: Das Projekt ist als Stabstelle direkt bei unserem Bürgermeister Mirko Pink angesiedelt und wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes. Das Projektteam besteht aus uns zwei Projektmanagerinnen, Eva Bräuer und Nicole Kockrick. Ein stetiger Dialog gehört zur Arbeit in und um das Projekt dazu, auch Konferenzen mit Vorgesetzten und wissenschaftlicher Begleitung werden beständig umgesetzt und bereichern die Arbeit mit zahlreichen informellen sowie fundierten Kenntnissen jeglicher Beteiligten.
Bräuer: Eine direkte Zusammenarbeit erfolgt mit der Koordinierungsstelle Bildung und dem Bildungsbeirat der Stadt Hoyerswerda sowie dem wissenschaftlichen Begleiter Dr. Wilfried Kruse. Des Weiteren sind wir im stetigen Austausch mit unseren Schulen und arbeiten an einer engen Kooperation mit lokalen Unternehmen, um Perspektiven in Zukunftsbranchen zu bieten und gleichzeitig die Abwanderung zu verhindern.
Was sind aus Ihrer Perspektive die größten Herausforderungen bei der Projektumsetzung?
Kockrick: Immer wieder wird deutlich, dass eine sachliche, transparente Kommunikation von besonderer Bedeutung ist. So können Doppelungen in Befragungen, welche zu Irritationen bei den Unternehmen und den Schülerinnen und Schülern führen, vermieden werden.
Bräuer: Eine große Herausforderung stellt auch der Umfang an Bildungsakteuren im Raum Hoyerswerda dar. Diesen gilt es in Zusammenhang mit gelungener Netzwerkarbeit qualitativ zu koordinieren, um somit systematisierte Abstimmung und Integration sowie Mitbestimmung aller zu erreichen. Hierzu zählt auch, die verschiedensten Schulkonzepte miteinander zu vereinbaren.
Wenn das Programm „Bildungskommunen“ einmal endet: Woran merken Sie, dass das Programm erfolgreich war?
Kockrick: Jugendliche sollen zum „Bleiben“ motiviert sein sowie ein kommunales Mitspracherecht entwickelt haben. Bildungschancen vor Ort stehen allen offen. Für junge Ausbildungs- und Berufsanfänger sind die Attraktivität der Stadt und der Region gestärkt, ihre Bekanntheit und die Wiedererkennung erhöht.
Darüber hinaus soll das bereits bestehende Netzwerk gefestigt und erweitert sein. Langfristig soll eine kontinuierliche Statistik zum Übergangssystem von der Schule in den Beruf etabliert werden, die für alle zugänglich ist, die zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Bekämpfung des Fachkräftemangels beiträgt. Ein schneller Datenzugang ist dafür unerlässlich und sorgt für Transparenz und eine bessere Vernetzung für alle in der Region.
Bräuer: Einen besonderen Stellenwert nimmt bei uns das Thema Inklusion ein. Sie fördert nicht nur Chancengleichheit, sondern auch Innovation und Teamzusammenhalt. Dafür bauen unsere ansässigen Unternehmen Barrieren ab und schätzen die individuellen Stärken und Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden. So schaffen wir eine Arbeitswelt, in der alle die Möglichkeit haben, ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Das ist ein Gewinn für alle in unserer Stadt!
Dr. Cornelia Leser, Kommunalberatung Sachsen