Der thüringische Kyffhäuserkreis hat im Jahr 2024 einen weiteren Bildungsbericht veröffentlicht. Welche Erkenntnisse gewonnen wurden und wie man einen Bildungsbericht auch ohne originäres Bildungsmanagement auf die Beine stellen kann, darüber sprachen wir mit Janin Panse, Jugendhilfeplanerin im Team der integrierten Sozialplanung im Landratsamt Kyffhäuserkreis. Dabei kamen die Vorteile eines Bildungsberichts zur Sprache, aber auch Ideen, wie Bildungsberichte noch effektiver genutzt werden könnten.
Wir sprachen mit Janin Panse, Jugendhilfeplanerin im Kyffhäuserkreis (rechts), über den neuen Bildungsbericht des Landkreises.
Frau Panse, was hat den Landkreis veranlasst, einen neuen Bildungsbericht zu erstellen?
Die Bildungsberichterstattung des Landkreises wurde über das Förderprogramm „Lernen vor Ort“ entwickelt. Dieses Förderprogramm des Bundes wurde zwischen 2009 und 2014 vom Landkreis genutzt und bestand aus einer Arbeitseinheit von zehn Personen. Der erste Bildungsbericht erschien 2011, der zweite 2014.
Nach dem Ende der Förderung beschloss unser damaliges strategisches Bildungsgremium, die Lenkungsgruppe Bildung, dass der Landkreis die Bildungsberichte regelmäßig fortschreiben solle. Die seit 2016 im Landratsamt installierte Sozialplanung übernahm die Verantwortung für die Bildungsberichterstellung. Somit erschien ein weiterer Bericht im Jahr 2018, der vorerst letzte dann 2024.
Download Bildungsbericht 2024 (PDF).
Dem Landkreis ist es nach wie vor ein Anliegen, neben Daten der formellen Bildung auch Zahlen und Fakten aus dem non-formalen Bildungssektor zur Verfügung zu haben, um diesen Bereich besser steuern zu können. Ich denke da an Kitas, lebensbegleitendes Lernen, Bibliotheken, Museen, Erwachsenenbildung, Seniorenbildung.
Man sagt immer, Bildung sei Ländersache. Das stimmt für die innere Schulgestaltung und die formale Bildung. Gute Lernbedingungen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu schaffen – dazu zählen auch u. a. moderne Schulgebäude, digitale Ausstattung, Barrierearmut – das können der Landkreis als äußerer Schulträger und die Kommunen in ihrer Verantwortung für die Kindergärten jedoch unterstützen.
Ein weiteres Beispiel für kommunale Gestaltungsmöglichkeiten ist die frühkindliche Bildung. Hier hat die Kreisverwaltung gemeinsam mit dem Jugendhilfeausschuss Landes- und Bundesfördermittel aus dem Programm Kita-Invest für den Erhalt und Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen in der Region genutzt. Für all diese Dinge benötigen wir Daten und auch den Bildungsbericht.
Wie baut dieser auf vergangenen Bildungsberichten auf?
Der erste Bildungsbericht war sehr umfangreich. Damals gab es eine eigene Personalstelle zur Erarbeitung eines umfänglichen Bildungsmonitorings für den Landkreis. Das musste nach Projektende im Jahr 2014 reduziert werden. Die Grundstruktur des Berichts wurde beibehalten.
Der neue Bericht enthält Daten auf Landkreisebene zu Schülerinnen und Schülern, Schulen, non-formalen Bildungsbereichen, Nutzungsdaten von Bibliotheken, Volkshochschule, Musikschule und vieles mehr. Bei diesen Nutzungsdaten hat uns wie immer die Altersstruktur und die Einbeziehung des ländlichen Raums interessiert. Wir wollen Bildungsangebote auch in der Fläche vorhalten, wohnortnah, gut erreichbar, nicht nur in Städten.
Welche zentralen Erkenntnisse gibt es?
Eine aus der Schulnetzplanung entsprungene Erkenntnis ist, dass es im Landkreis, aber auch thüringenweit, künftig wesentlich weniger Kinder und somit mittelfristig auch weniger Schülerinnen und Schüler geben wird. Das politische Ziel des Landkreises ist jedoch, eine wohnortnahe Beschulung sicherzustellen und Schulen im Zweifelsfall nicht zu schließen. Wir wissen um die Bedeutung von Schulen für die lokalen Gemeinschaften.
Kürzlich wurde das Berufsschulzentrum ausgebaut und erweitert. Das alte Schulgebäude wich einem modernen Lerncampus. Eine vorhandene Grundschule in Hohenebra erhält derzeit im Sinne der wohnortnahen Beschulung ein neues, modernisiertes Schulhaus und bietet fortan optimale Lernbedingungen für Kinder. Bei diesem Bauvorhaben werden die sinkenden Schülerzahlen schon mitgedacht.
Positiv zu vermerken ist beispielsweise, dass wir in vielen Dörfern einen Kindergarten haben und Schulen nie weit weg sind. Das sehe ich als weichen Standortfaktor, der insbesondere von Familien und ansässigen Unternehmen geschätzt wird.
Ein weiteres Ergebnis des Bildungsberichts ist, dass Schulsozialarbeit viel genutzt wird. Sie bietet im Sinne des multiprofessionellen Lern- und Lehransatzes eine sinnvolle und notwendige Ergänzung, gerade für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Weitere unterstützende Angebote und Projekte begleiten und unterstützen Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern am Lernort Schule.
Eine weitere zentrale Erkenntnis ergibt sich aus der demographischen Entwicklung mit Blick auf Fachkräfte: Ein großer Anteil der Erzieherinnen und Erzieher in den Kindergärten und des Lehrpersonals an Schulen muss alsbald durch ausreichend junge nachrückende Fachkräfte ergänzt werden, um auch die Generation abzufedern, die sich aktuell in der Alterskohorte 40 bis 50 Jahre befindet. Dabei gilt es die reduzierten Kinderzahlen planerisch einzubeziehen, um einen bedarfsentsprechenden Personalbestand vorzuhalten.
Non-formale Bildungseinrichtungen bundesweit verzeichnen seit der Corona-Pandemie geringere Nutzungszahlen. Die neuen Zahlen aus unserem Bildungsbericht zeigen aber einen leichten Aufschwung. Das zeigt: Die Angebote haben sich umgestellt, sind digitaler geworden. Dies braucht Zeit, bei den Einrichtungen und den Nutzerinnen und Nutzern.
Abseits des aktuellen Bildungsberichts warten wir gespannt auf erste Ergebnisse und Erkenntnisse des Startchancen-Programms an unseren vier Schulstandorten im Landkreis. Darauf werden wir allerdings noch ein wenig warten müssen, denn das Programm ist gerade erst gestartet.
Welche Ressourcen wurden genutzt, um den Bericht zu erstellen und wie wird er im Landkreis verwendet?
Wie schon erwähnt, haben wir die personellen Ressourcen im Rahmen der integrierten Sozialplanung im Landkreis genutzt. Diese Stellen sind über die „Sozialstrategierichtlinie“ vom Land Thüringen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Plus finanziert. Bei der Erstellung gab es eine Zusammenarbeit mit dem Amt für Bildung, kreiseigenen Einrichtungen sowie Kooperationspartnern und Kommunen. Die Erarbeitung des Berichts dauerte rund ein Jahr als kontinuierliches Projekt neben weiteren planerischen Aktivtäten.
Das fertige Produkt wurde und wird nun in Fachausschüssen besprochen – insbesondere dem Ausschuss für Bildung und dem Jugendhilfeausschuss. Dabei geht es darum zu schauen, welche Handlungsbedarfe sich aus den genannten Erkenntnisse für die verschiedenen Planungsbereiche ableiten lassen.
Die Öffentlichkeit kann den Bericht auf der Landkreisseite einsehen. Der Kreistag hat den Bericht bislang nicht diskutiert, dies wäre aber bei Bedarf möglich.
Was sind Ihre Empfehlungen für andere Kommunen?
Ich empfehle die Verknüpfung von Berichten und Planungen des Landkreises. Wir haben vielerlei Berichte und Pläne, die sich zum Teil inhaltlich koppeln lassen würden, darunter sind u. a.:
Dies würde zeitliche und personelle Ressourcen effizienter bündeln und Abstimmungsprozesse vereinfachen.
Die kontinuierliche Fortschreibung eines Bildungsberichts und die fortwährende Datenpflege und bedarfsentsprechende -erweiterung braucht politisches Wollen und personelle Ressourcen. Für Letzteres eignet sich auch die Nutzung themenbezogener Förderprogramme, wie bspw. der Sozialstrategierichtlinie, welche eine integrierte Bildungs- und Sozialplanung unterstützt.
Das Interview führte Alexander Lorenz, Kommunalberatung Thüringen.