Online Fortbildung
Der Vortrag von Kirstin von Graefe bildete den Auftakt der zweiteiligen TransMit-Fortbildung für Kommunale Koordinatorinnen und Koordinatoren in Mitteldeutschland unter der Überschrift „Zukunftsfragen der Integration: Fachkräftegewinnung im ländlichen Raum und Integrationsmonitoring“. Als Mitarbeiterin der Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung (ThAFF) stand die Verwaltungsjuristin am 7. Juli 2020 allen interessierten Kommunen für Rückfragen im Rahmen einer virtuellen Konferenz zur Verfügung.
Kurz vor 10 Uhr: Wie es mit Videokonferenzen so ist, gestaltet sich der Auftakt zu unserer Fragerunde etwas herausfordernd. Teilnehmende können ihre Kameras nicht benutzen, einige sind aufgrund fehlender technischer Voraussetzungen per Telefon eingewählt und alle hoffen auf eine stabile Internetverbindung.
Punkt 10 Uhr läuft dann alles rund und Kirstin von Graefe von der ThAFF gibt den Interessierten unter Moderation von Dr. Anne Walde und Alexander Lorenz Auskunft über internationale Fachkräftezuwanderung in die zumeist ländlich geprägten Regionen Thüringens und Mitteldeutschlands. In einer kurzen Vorstellungsrunde deutete die Neu-Erfurterin an, dass sie von vielen Thüringerinnen und Thüringern gefragt werde, wieso sie von Hamburg in den Freistaat gezogen sei. Ihr mache die Arbeit in der ThAFF riesigen Spaß und sie fühle sich in Erfurt sehr wohl. Auch sie sei somit eine Art Arbeitsmigrantin, bei der die Rahmenbedingungen passen.
Im Gespräch mit den Teilnehmenden wird schnell klar: Internationale Fachkräftezuwanderung wird immer bedeutsamer für mitteldeutsche Unternehmen. Allerdings gibt es bislang noch nicht in allen Kommunen vielfältige Erfahrungen. Eine gezielte Kommunikation soll daher den Austausch anregen und die vorhandenen Strukturen stärken. Die ThAFF sei unter anderem aus diesem Grund vor Jahren ins Leben gerufen worden, so von Graefe. Neben der Beratung von Kommunen und der eigentlichen Zielgruppe, den begehrten ausländischen Fachkräften, sei man dafür da, die zentralen Akteure der Integration regional zu vernetzen. Hierzu zählen insbesondere Ministerien, Ausländerbehörden, Agentur für Arbeit, Verwaltungen, Migrantenorganisationen und zivilgesellschaftliche Akteure.
Auf die Frage, was denn getan werden müsse, um die Fachkräftezuwanderung zu fördern, fragt von Graefe zurück: „Was für Ziele hat Ihre Kommune?“ Ohne strategische Überlegungen, klare Zielformulierungen und die gebündelte Expertise der Spitzen, aller zuständigen Verwaltungseinheiten sowie der einheimischen Wirtschaft sei es schwierig, das Thema solide oder langfristig anzupacken.
Um den Fokus nicht nur auf Thüringen zu richten, macht die Referentin auf Welcome-Center-ähnliche Ambitionen in Sachsen und Sachsen-Anhalt aufmerksam. Hier gäbe es im Unterschied zu Thüringen keine landesfinanzierten zentralen Einrichtungen wie die ThAFF, sondern regionale Willkommens-Institutionen. Das IQ-Netzwerk spiele in Sachsen wie auch in den anderen beiden Bundesländern eine wichtige Rolle.
Doch wie kommen die Fachkräfte nun in die Kommune? Ganz wichtig sei die klare Benennung der Erwartungshaltung auf beiden Seiten sowie optimale Lebensbedingungen in der Kommune, führt Frau von Graefe aus. An dieser Stelle hakt eine Teilnehmerin ein: „Ich vermisse in Ihrer Auflistung den Bereich Bildung.“ Gute Bildungsangebote für die mitgereisten Familienmitglieder seien neben guten Wohn-, Sport- und Kulturangeboten sowie einer aufnahmeoffenen Gesellschaft als Standortfaktor nicht zu unterschätzen, antwortet die Referentin gewohnt spritzig. Hier sei die Kommune gefragt, Übersichten anzufertigen, Angebote zu initiieren und Transparenz herzustellen. Das Gesamtpaket müsse stimmen.
Die ThAFF-Mitarbeiterin betont zudem, dass der Osten Deutschlands nicht mit hohen Löhnen punkten könne. Hier sei also eine umso engmaschigere Betreuung der Zielgruppe geboten, um nicht nur der „kurzfristige Durchlauferhitzer“ für den westdeutschen Arbeitsmarkt zu werden. Aus ihrer Erfahrung heraus bringe es wenig, ohne Klärung der Erwartungen und Rahmenbedingungen, Architekturstudentinnen und -studenten aus der vietnamesischen Metropole Hanoi zur Ausbildung in ländliche Regionen Thüringens anzuwerben. Die Erwartungshorizonte von potentiellen Fachkräften, deren Eltern und den hiesigen Betrieben seien in solchen Fällen oftmals so unterschiedlich, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Abwanderung in Großstädte quasi vorprogrammiert seien.
Ein Teilnehmer fragt im Chat: „Gibt es in Thüringen ein vergleichbares Konstrukt zur Fachkräfteallianz in Sachsen?“ Ja, die gebe es in Thüringen seit 2013, so Frau von Graefe. 2016 sei sie aktualisiert worden und seit 2019 werde sie von drei Ministerien unterstützt. Die Fachkräfteallianz sei in Thüringen ein Gremium aus Ministerien, Kammern, Wohlfahrtsverbänden, Bundesagentur für Arbeit. Hierüber seien mittlerweile auch die kommunalen Ausländerbehörden eingebunden, die über das neue Fachkräftezuwanderungsgesetz eine zentrale Rolle bei der internationalen Fachkräftezuwanderung innehaben. Die ThAFF organisiert mit diesen Behörden wöchentliche Austauschformate zwecks Innovationen, Fortbildung und Klärung offener Fragen.
Nach rund einer Stunde endet die virtuelle Fragerunde ohne technische Pannen und mit stabilem Internet. Die „richtige“ Vorgehensweise bei der Gestaltung der internationalen Fachkräftezuwanderung gibt es nicht – sie hängt von den Bedingungen der jeweiligen Kommune ab.
Anfang September soll der zweite Teil der virtuellen Fortbildungsreihe zum Thema „Integrationsmonitoring“ stattfinden. Hierzu werden wir im Vorfeld Einladungen verschicken.
Weiterführende Informationen:
Ulrike Richter, Veranstaltungen