Online-Fortbildung
Mit ihren eigenen Möglichkeiten des Erfahrens und Erlebens trägt kulturelle Bildung wesentlich zur Persönlichkeitsentwicklung und zu gesellschaftlicher Teilhabe bei. Das macht sie zu einem wichtigen Handlungsfeld für Kommunen, das sie selbst kreativ mitgestalten können in einem starken Netzwerk vielfältiger Angebote und Akteure. Unsere Fortbildung am 7. September 2022 führte in das Thema ein und warf einen Blick auf die kommunale Praxis.
Kulturelle Bildung ist ein weites, vor allem aber sehr vielfältiges Feld. Zwischen kommunaler Pflicht und Kür eröffnen sich ihm Spielräume ebenso wie zahlreiche Anknüpfungspunkte zu formalen Bildungsangeboten. Kommunen sind selbst gestaltende Akteure in diesem Handlungsfeld zusammen mit diversen anderen. Sie alle in einem aktiven Netzwerk zusammenzubringen, um den Austausch untereinander und die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am kulturellen Leben in seiner ganzen Breite zu fördern, ist keine einfache Aufgabe, aber eine wichtige und schöne.
Mit dem Projekt „K2 – Kulturnetzwerke in Kommunen“ unterstützt die Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel in einem Analyse- und Beratungsprozess sechs ausgewählte Kommunen, kulturelle Bildungsnetzwerke aufzubauen. Die Projektreferentin Franziska Schönfeld stellte „K2“ vor und gab einen Einblick in die Zusammenarbeit mit den Kommunen. Eine von ihnen ist die Stadt Meißen. Deren Kulturreferentin, Sara Engelmann, berichtete von Erfahrungen aus dem Projekt, die vor Ort gemacht wurden, sowie über erste Schritte und Erfolge.
Eyk Henze, wissenschaftlicher Referent für Wissenstransfer der TransMit, nahm Bezug auf Instrumente und Arbeitsweisen des Datenbasierten Kommunalen Bildungsmanagements (DKBM) im Handlungsfeld kulturelle Bildung und fragte nach deren Stellenwert im lebensbegleitenden Lernen. Kulturelle Bildungsangebote richten sich nämlich – und dafür gibt es gute Gründe – hauptsächlich an Kinder und Jugendliche. Die Geschäftsführerinnen der Landesvereinigungen Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens, Dr. Nina Stoffers, Wybke Wiechell und Antje Lampe, stellten ihre Arbeit vor, bevor Austausch und Diskussion die Online-Fortbildung beschlossen.
Chancengerechtigkeit vor Ort verwirklichen
Teilhabe am kulturellen Leben der Gemeinschaft ist ein Menschenrecht und in Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verbrieft. Erfahrbar ist die Gemeinschaft insbesondere dort, wo ihre Mitglieder leben: in den Städten und Gemeinden. Dort also müssen Integration und Teilhabe gewährleistet werden. Aber nach wie vor bestimmt die Herkunft – ob nun sozial oder geografisch – darüber, wie gut das gelingt.
Das hat sowohl mit Ressourcen als auch mit Einstellungen, Pierre Bourdieu spricht von Habitus, zu tun, die beide quasi sozial „vererbt“ werden. Sozial schwache bzw. bildungsferne Zielgruppen – beides bedingt einander – mit außerschulischen Angeboten überhaupt zu erreichen, ist die erste Hürde, um die Abhängigkeit des Status von der Herkunft zu durchbrechen. Bildung allgemein ist dafür ein zentraler Schlüssel. Kulturelle Bildung nutzt dafür eigene Mittel und hebt andere Potenziale bei der Persönlichkeitsentwicklung als die Vermittlung von Wissen. Sozial-kulturelle Kompetenzen und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit in der Gemeinschaft sind entscheidend. Umso mehr, legt man einen weiten Kulturbegriff zugrunde, der sich nicht auf Kunst beschränkt.
Die kulturelle Vielfalt spiegelt sich in der Diversität der Akteure und in deren Angeboten. Sie berühren sämtliche Bereiche der kommunalen Verwaltung – mal mehr, mal weniger –, die aber von Arbeitsteilung und voneinander getrennten Zuständigkeiten geprägt ist. Diese Versäulung, die sich auch in Förderprogrammen wiederfindet, stellt für kulturelle Bildung oftmals ein Hindernis dar, die sich als Querschnittsaufgabe am wirksamsten entfalten kann.
Vor diesem Hintergrund fordert das Projekt „K2 – Kulturnetzwerke in Kommunen“ von sich bewerbenden Kommunen, dass mindestens zwei Ressorts zusammenarbeiten und das lokale Netzwerk in gemeinsamer Verantwortung aufbauen sollten. Wichtig dabei ist, dass es wirklich alle relevanten Akteure repräsentiert. Dazu zählen auch Freischaffende und Ehrenamtliche. Nicht zuletzt gilt es, die eigentlichen Zielgruppen mit ihren Bedarfen angemessen zu beteiligen und eine gewichtige Stimme zu geben.
Hier sind die Spielräume längst nicht ausgeschöpft, dafür bieten sie Platz für kreative Ideen. Das ist auch deshalb vonnöten, betonte Franziska Schönfeld, da sich in der Praxis herausgestellt hat, dass eine Gruppe von deutlich mehr als 15 Personen kaum mehr arbeitsfähig ist. Dabei kommt es gerade auf gemeinsame Werte und Ziele, eine gelebte Feedbackkultur sowie auf lösungsorientierte Arbeitsweisen an.
Darüber hinaus sind Fragen zu klären, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fachlich und geografisch aufgestellt sind, welche Zielgruppen mit welchen Angeboten adressiert werden sollen, welche Ressourcen von allen Seiten eingebracht und miteinander geteilt werden können, und ehrlicherweise auch, wo Grenzen liegen.
Mehr Kür, denn Pflicht
Als Menschen- wie auch als Grundrecht bleibt kulturelle Bildung ziemlich unspezifisch, weshalb sich für die Kommunen daraus keine Pflichtaufgaben ableiten lassen. Kulturelle Bildung zählt deshalb zu den kommunalen Sahnehäubchen, die nur sparsam serviert werden bzw. werden können. Umso hilfreicher waren und sind die Empfehlungen und Erfahrungen aus dem Projekt K2 und die konkrete Unterstützung in dessen Rahmen durch die Akademie Wolfenbüttel für die Stadt Meißen.
Dort konnte so ein kulturelles Bündnis etabliert werden, das vom Kulturamt zusammen mit dem Familienamt und dem Jugendstadtrat unter erschwerten Pandemiebedingungen forciert wurde. Eine starke AfD- und Querdenkerszene hat die Bedeutung von Bildung und Teilhabe als Voraussetzung für Zusammenhalt noch unterstrichen. Die Vielfalt von Akteuren und Angeboten wurde ergänzt um Struktur und gemeinsame Ziele sowie das Netzwerk nicht nur ins Leben gerufen, sondern auch professionalisiert.
Zentrale Elemente sind die gegenseitige Information, verschiedene Formate der Kommunikation, des Ideenspinnens und Ausprobierens. Eines davon sind die Stadtteilspaziergänge, um einander besser kennenzulernen, sich ein Bild von den Möglichkeiten vor Ort zu verschaffen und gemeinsame Projekte auszuloten. Darüber hinaus gibt es informelle Stammtische und regelmäßige Arbeitstreffen.
Sara Engelmann illustrierte die Arbeit des Netzwerks mit eindrücklichen Fotos von Mitmachangeboten auf Spielplätzen, wo Kinder direkt erreicht werden, vom WOW, der Bühne für junge Kreative, auf der Kinder und Jugendliche nicht nur zeigen, welches (kreative) Potenzial in ihnen, sondern auch in der Stadt steckt. Möglich wurde das nur im Zusammenspiel von Soziokultur, Freier Szene, Theater und Stadtverwaltung.
Dass Susann Rüthrich, die Kinder- und Jugendbeauftragte des Freistaats Sachsen, dafür die Schirmherrschaft übernahm, unterstreicht nicht nur die Bedeutung der kulturellen Bildung insgesamt, sondern würdigt auch ganz konkret die Arbeit in diesem Handlungsfeld, die in Meißen geleistet wurde und geleistet wird.
„Wie es wohl wäre, wenn kulturelle Bildung das tägliche Brot würde und nicht das Sahnehäubchen bliebe?“
Kulturelle Bildung als Handlungsfeld des DKBM
Die Kernkomponenten, Instrumente und Arbeitsweisen des DKBM sind relativ unabhängig von lokalen Gegebenheiten und Handlungsfeldern und hinlänglich beschrieben. Vielmehr kommt es darauf an, die passenden auszuwählen und entsprechend zu adaptieren. Essenziell ist die strategische Verankerung, wodurch auch für funktionierende Querschnitte zwischen Bildungsbereichen und Ressort gesorgt wird, auf Basis kommunenspezifischer Daten über Bedarfe und Angebotslücken.
Mithilfe qualitativer und quantitativer Methoden kann das Monitoring diese Datengrundlage bereitstellen, aus der sich Maßnahmen ableiten und in Handlungskonzepte einfließen lassen. Zudem ist es wichtig, Transparenz über Akteure und Angebote herzustellen und aktuell zu halten. Erstere lassen sich dann auch zielgruppengerecht aufarbeiten und veröffentlichen.
Aktualität gelingt am besten in einem funktionierenden Netzwerk, in dem zumindest alle wesentlichen Informationen mit denen geteilt werden, die sie benötigen. Im Bildungsmanagement der Kommune werden sie bestenfalls gebündelt. Nicht zuletzt ist dann entscheidend, Teilhabe und Zugänge tatsächlich zu gewährleisten, also einen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit zu leisten.
Das lässt sich realisieren, u. a. indem kulturelle Bildung mit formalen Bildungsangeboten verzahnt wird (Ganztag) bzw. lebensweltnah und stadtteilbezogen ihre Zielgruppen auch wirklich erreicht. Angebote sind entsprechend niederschwellig zu gestalten, Schwellenängste abzubauen, vorhandene Potenziale zu heben (Bibliotheken etwa als Dritte Orte) und Akteure untereinander sowie mit Nutzerinnen und Nutzer gut zu „matchen“.
Verantwortungsgemeinschaft statt -diffusion
Neben kommunalen Programmen und Fördertöpfen gibt es zahlreiche weitere der Länder und des Bundes. Auch wenn selbstredend die Umsetzung vor Ort erfolgt, nehmen Bund und Länder auch einen Teil ihrer Verantwortung wahr. Auch hierfür braucht es zwischen den drei Ebenen Austausch, Netzwerk- und im besten Sinne Lobbyarbeit.
Zentrale Akteure sind hier die Landesvereinigungen Kulturelle Kinder- und Jugendbildung als Dachverbände ihrer Mitgliedsorganisationen. Deren Interessen vertreten sie gegenüber der Öffentlichkeit, zuständigen Behörden und politischen Gremien. Sie sind u. a. bestrebt, Fördermittel zu akquirieren und -programme mit auszugestalten, zu denen sie dann auch beraten. Ihre Tätigkeit an den Schnittstellen zwischen Bildung, Kultur, sozialer Arbeit und bürgerschaftlichem Engagement fördert die Zusammenarbeit zwischen Ressorts in den Landes- und Kommunalverwaltungen sowie die Entwicklung des eigenen Handlungsfelds.
So unterstrichen alle drei Geschäftsführerinnen der LKJ Sachens, Sachsen-Anhalts und Thüringens, dass Migration und Integration, ja Diversität ganz allgemein verstärkt Teil ihrer Arbeit geworden sind. Teilhabe setzt eben einerseits Befähigung voraus und andererseits den Abbau von Barrieren jeglicher Art.
Und weil das so ist, bleibt die Frage nach kultureller Bildung auch im Erwachsenen- und Seniorenalter virulent. Diesmal noch blieb die Antwort darauf offen.
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Ulrike Richter, Veranstaltungen