Online-Fortbildung

Bildung im Alter –
Selbstständigkeit und Teilhabe kommunal gestalten

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr? In unserer Online-Fortbildung diskutierten wir mit Referentinnen und Referenten aus ganz Deutschland und Teilnehmenden unterschiedlichster Professionen, wie gute Bildung für und mit Älteren in der Nacherwerbsphase gestaltet sein muss und welche Rolle die Kommune dabei spielen kann.

Gewusst wie!

Neue Medien können Selbstständigkeit und soziale Teilhabe im Alter fördern.

Menschen in der Nacherwerbsphase stehen vor ganz neuen Herausforderungen und lernen ihr Leben oft nochmal neu: eine neue Tagesstruktur und oftmals auch neue Aktivitäten. Dennoch halten sich einige Mythen über das Lernen im fortgeschrittenen Alter hartnäckig: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!“ oder „Altern ist ein natürlicher Abbauprozess.“ sind nur zwei Beispiele dafür.

In unserer Veranstaltung „Bildung im Alter – Selbstständigkeit und Teilhabe kommunal gestalten“ warfen wir mit den Referentinnen und Referenten sowie den Teilnehmenden einen Blick auf dieses spannende und doch wenig beachtete Bildungsfeld: Im Einführungsvortrag reflektierte Dr. Janina Stiel von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e. V. unsere defizitorientierten Altersbilder und zeigte, wie Altern in Deutschland zukünftig aussehen wird.

Ursula Woltering, Fachbereichsleiterin Jugend, Soziales und Integration der Stadt Ahlen, lenkte dann den Blick auf die kommunale Ebene und stellte Erfolgsfaktoren für gelungene Seniorenbildungsnetzwerke vor. Im kommunalen Praxiskarussell präsentierten sich vier gelungene Beispiele, wie der Bereich Bildung für und mit Älteren von der kommunalen Ebene gestärkt werden kann.

Der zweite Teil der Veranstaltung widmete sich dem Thema „Bildung im Alter – digital gestalten“. Referent Silvio Thieme vom Mehrgenerationenhaus aus Bernsdorf formulierte es so: „Die Digitalisierung steht unter dem Primat der Alltäglichkeit. Die Digitalisierung ist einfach schon da. Die Bonuskarte bei Lidl auf dem Handy, das Online-Banking weil die Filiale in der Gemeinde geschlossen hat.“

Genau diesen Aspekt machte auch Prof. Dr. Apfelbaum von der Hochschule Harz in ihrem Impulsvortrag stark und zeigte auf, dass es über kurz oder lang eine Frage der gesellschaftlichen Exklusion ist, wenn digitale Anwendungen nicht genutzt werden (können). Wie der Wissens- und Kompetenztransfer gelingen kann, zeigte das Konzept von „Reallaboren“. Die Referierenden des digitalen Praxiskarussells präsentierten anschließend ihre Lösungen, wie ältere Menschen mit digitaler Technik und digitalen Medien in Kontakt gebracht werden können und somit mehr Teilhabe gelingen kann.

 

„Bildung im Alter braucht eine verbindliche kommunale Struktur.“

[Ursula Woltering, Stadt Ahlen]

Bildung im Alter – kommunal gestalten

Dr. Janina Stiel räumte gleich zu Beginn mit Vorurteilen über Lernen im Alter auf: „Lernen ist in jeder Lebensphase möglich.“ Dennoch ändere sich die Art zu Lernen. Wird im Jugendalter noch vermehrt formal gelernt, so nimmt im Alter das informelle Lernen diesen Platz ein. Auch der Antrieb zum Lernen ändert sich im Laufe des Lebens. Stehen zunächst die Verwertbarkeit des Erlernten für Arbeit und Familie im Vordergrund, ist es in der Nacherwerbsphase eher das eigene Interesse.

Wie im Alter gelernt wird, ist allerdings maßgeblich vom sozioökonomischen Status abhängig. Stiel verweist dabei auf Merkmale, die jede Kommune beachten sollte. Besondere Aufmerksamkeit benötigt u. a. die Gruppe der weiblichen, hochaltrigen, allein- und ohne Unterstützungsstrukturen im Umfeld lebenden Personen mit deutlich heterogenen ökonomischen Voraussetzungen und Bildungsbiografien.

Diese Beschreibung der Zielgruppe können Susanne Volk und Anja Büchting täglich in ihrem Seniorenbüro „Inge und Walter“ in Leipzig Ost erleben. „Die Einsamkeit besonders bei älteren Frauen ist ein großes Thema“, so Volk. Deswegen organisieren die beiden Sozialpädagoginnen regelmäßig Speed-Datings. „Dabei sind bereits einige neue Paare und noch mehr Freundschaften entstanden“, freut sich Büchting.

Wie kann nun aber die Kommune Akteure wie Seniorenbüros, ehrenamtliche Initiativen und Träger unterstützen? Darauf gab Ursula Woltering, Fachbereichsleiterin der Stadt Ahlen mit der Vorstellung des SINN-Netzwerks, eine Antwort. „Es braucht eine verbindliche kommunale Struktur. Wir initiieren Prozesse und Projekte.“

Was als einzelne Projekte mit Senioren begann, weitete sich mit den Jahren zu einem lebendigen und breiten Netzwerk mit koordinierender Leitstelle in der Verwaltung der Stadt aus. Besonders wichtig sind dabei die Anliegen der Zielgruppe zu erfassen und das Projekt partizipativ umzusetzen. „Das Ziel war immer die Menschen von Angebotsnehmern zu Angebotsgebern zu befähigen“, so Woltering.

Die Perspektive der Zielgruppe hatte das Projekt „Herbstzeitlose“ aus Saalfeld-Rudolstadt in Thüringen qua Gestaltung immer im Blick. Ältere Menschen werden zu ehrenamtlichen Seniorenbegleiterinnen/-begleitern ausgebildet, die Seniorinnen und Senioren Gesellschaft leisten und auch zu Ämtern begleiten. „Beide Seiten profitieren vom Projekt“, so Elisabeth Franke, Projektleiterin bei der AWO. „Die fitten Älteren leisten eine wichtige Aufgabe und bleiben aktiv. Die nicht mehr mobilen Älteren haben Abwechslung und sind nicht mehr allein.“

Ein weiterer wichtiger Baustein kommunaler Steuerung ist die Berichterstattung. Die Stadt Erfurt hat in einem partizipativen Prozess den Seniorenbericht 2018 entwickelt und herausgegeben. Daraus konnten Handlungsempfehlungen abgeleitet werden und erste Maßnahmen eingeleitet werden. „Wir wollten Senioren als Experten in eigener Sache einbeziehen“, so Olga Freier, Sozialplanerin der Stadt Erfurt.

Diesen Ansatz verfolgte auch die Bildungskoordination im Landkreis Zwickau bei der Erstellung ihres Seniorenbildungsatlas. Hier wurden sowohl Seniorenvertretungen, Leistungserbringer und Träger als auch relevante Fachämter einbezogen. Eine neu gegründete Arbeitsgruppe Seniorenbildung fungierte als Vernetzungselement und Multiplikator.

„Digitale Anwendungen und Produkte halten Einzug in alle Lebensbereiche und haben große Potenziale für soziale Teilhabe im Alter.“

[Prof. Dr. Birgit Apfelbaum, Hochschule Harz]

Bildung im Alter – digital gestalten

„Digitale Anwendungen und Produkte halten Einzug in alle Lebensbereiche und haben große Potenziale für soziale Teilhabe im Alter. Aber sie setzen auch eine kompetente Nutzung und damit besondere Fähigkeiten voraus“, so beschreibt Prof. Dr. Apfelbaum die Ausgangslage in ihrem Einstiegsvortrag. Besonders bedeutsam wird diese Einschätzung für die mitteldeutschen Kommunen, denn laut Digital-Index 2021 sind in den Ländern Mitteldeutschlands weniger als die Hälfte der über 60-Jährigen online unterwegs.

Wie diese Lücke geschlossen werden kann, zeigen erste Ansätze im Rahmen des Projektes Innovationsnetzwerk vernetzte Technikberatung und Techniknutzung – VTTNetz. Hier wird ein kommunales Netzwerk mit haupt- und ehrenamtlichen Akteuren aufgebaut, die zu digitalen Anwendungen und Technik informieren, beraten und heranführen. Es entstand ein Reallabor – die sogenannte TAKSI-Zentrale (Technik-Akzeptanz und Soziale Innovation). Dies ist eine barrierearme 3-Raum-Muster-Wohnung, die mit Assistenztechnik ausgestattet ist. Als Türöffner werden Smartphone-Sprechstunden angeboten und dabei ganz nebenbei Assistenztechnik erlebbar gemacht.

Bei allen digitalen Projekten wird deutlich, dass es immer einen analogen Raum braucht und Personen, die auf Augenhöhe an neue Technik heranführen. Ebenso partizipative Momente, bei denen die eigenen Erfahrungen und Kompetenzen eingebracht werden können.

Die „Digitalen Engel“ kommen mit ihrem Infomobil an öffentliche Plätze im ländlichen Raum, um erste alltagsnahe Informationen zu geben. Auch der „Digital-Kompass“ bietet die Verbindung von offline und online. Neben den breiten virtuellen Informationsangeboten gibt es in ganz Deutschland regionale Anlaufstellen, wo digitale Anwendungen vor Ort ausprobiert und erlernt werden können.

Im Mehrgenerationenhaus Bernsdorf übernehmen Schülerinnen und Schüler die Mittlerfunktion, indem sie Workshops für Ältere im Umgang mit digitaler Technik anbieten. „Dabei wird nicht nur einseitig Wissen vermittelt, sondern die Generationen kommen auch über ihre Lebenswelten ins Gespräch“, so der Projektleiter Silvio Thieme.

Im BiGeTA-Projekt der Hochschule Magdeburg werden für den Wissenstransfer Seniorinnen und Senioren als ehrenamtliche Gesundheits- und Techniklotsinnen/-lotsen ausgebildet. Der wichtigste Punkt ist dabei der partizipative Ansatz: Die Teilnehmenden werden in die Entwicklung der Ausbildung, der Formate und auch der App eingebunden.

Diesen Ansatz verfolgt auch Christoph Schneeweiß mit seinem jungen Unternehmen „CareTable“. Er hat sich eine ganz besondere Zielgruppe herausgesucht: die Seniorinnen und Senioren in Pflegeinrichtungen. Hier sei der Anteil der Technikskeptiker besonders hoch, deswegen müsse man sie in alle Weiterentwicklungen der Inhalte von Anfang an einbeziehen, sagte Schneeweiß. Das tischgroße „Tablet“ bietet verschiedene Inhalte von Zeitungen über Spiele und aktivierende Übungen. Es soll die Älteren an digitale Technik heranführen, vom Großen (CareTable) zum Kleinen (Smartphone/Tablet).

Voneinander Lernen

Trotz der vielen Informationen in den Vorträgen und Praxiskarussells kam der Austausch der Teilnehmenden nicht zu kurz. In kleinen Dreiergruppen kamen die Teilnehmenden kurz zusammen, tauschten sich über das Gehörte aus, beantworteten ihre Fragen und lernten Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Professionen kennen.

Sie diskutierten engagiert, vernetzten sich untereinander und konnten neue Ideen und Kontakte mit in ihre Kommune nehmen. Leider blieben einige Fragen, u. a. zur Demokratiebildung mit Älteren, noch offen.

Wir, die TransMit, bleiben für Sie am Thema dran, bedanken uns herzlich für Ihr engagiertes Mitwirken und freuen uns, Sie bald wieder bei uns begrüßen zu dürfen!

Kontakt

Ulrike Richter, Veranstaltungen

Tel.: 0345-68178 21 E-Mail: urichter@dji.de

Mehr zum Thema

Forschung

Das Forschungsprojekt „Bildung im Alter“ im Amt für Statistik der Stadt Magdeburg untersucht die Bildungsbedürfnisse und -barrieren von älteren Menschen. Der Projektbericht ist auf der Seite der Stadt Magdeburg abrufbar.

Seniorennetz Berlin

Gut informiert! Eine Webseite bündelt in einer digitalen Übersicht Freizeit-, Kultur- und Bildungsangeboten für ältere Menschen in Berlin. Dafür arbeitet das Seniorennetz mit zahlreichen Einrichtungen und Organisationen in Berlin zusammen.

DigitalPakt Alter

Der DigitalPakt Alter ist eine Initiative zur Stärkung von gesellschaftlicher Teilhabe und Engagement Älterer in einer digitalisierten Welt. Der Blick richtet sich hierbei auf ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben im Alter.