Online-Bildungswerkstatt

Schulweg als Lernweg – eine Ideenwerkstatt

Der Schulweg ist mehr als die Strecke zwischen Zuhause und Klassenzimmer. Er birgt Lernwelten, die sich Kinder und Jugendliche eigenständig erschließen können. In kleinen und größeren Alltagsabenteuern entdecken sie sich selbst als aktiven Teil des Straßenverkehrs, der Umwelt und des kollektiven Miteinanders im Stadtteil. Dafür möglichst günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, verantworten Eltern, aber auch Kommunen. Wir luden zu einer Ideenwerkstatt ein und sammelten Anregungen, wie das gelingen kann.

Schulwege sind Lernwege

Der Schulweg birgt Lernwelten, die sich Kinder und Jugendliche eigenständig erschließen können.

Räumlich gesprochen, führen Schulwege kreuz und quer durch die Bildungslandschaft und damit auch durch Nachbarschaft, Quartiere oder umliegende Ortschaften und Dörfer. Dabei lassen sich – und zuweilen feine – Unterschiede entdecken. Häuser und Fassaden sehen anders aus, die Straßen sind schmal oder breit, grün oder grau, Schaufenster sind bunt oder leer. Kinder finden Weggefährten, streiten und versöhnen sich. Die letzten Hausaufgaben werden gemacht oder abgeschrieben und nach der Schule wird auf- und durchgeatmet, das stille Sitzen auf eigenen Um- und Abwegen ausgeglichen.

Sie bieten Zeit, sich Erklärungen und Ausreden für eine schlechte Note zurechtzulegen, und für Geheimnisse. Auf Schulwegen lauern auch Gefahren, die Vor- und Rücksicht erfordern. Sind sie zu lang, rauben sie Schlaf, werden sie ausschließlich im Bus oder Elterntaxi zurückgelegt, bleiben sinnliche Wahrnehmung und Interaktion auf der Strecke.

Auf vieles, was im Unterricht abstrahiert und formuliert wird, können Kinder vor und nach der Schule buchstäblich stoßen. Dinge zu begreifen, ist nicht nur ein pädagogisches Konzept, sondern geschieht auf dem Schulweg en passant. Auch Zufälle haben dort ihren Platz.

Ein gutes Beispiel als Quelle der Inspiration

Wir haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Ideenwerkstatt vorab darum gebeten, eine Zeitreise zu machen. Ein Gegenstand sollte die Erinnerung an ihren eigenen Schulweg illustrieren. Kastanien, ein Wecker, eine Spielfigur auf dem Fahrrad wurden in die Kamera gehalten, und die Einstimmung auf den Vormittag war schmunzelnd gelungen. Anschließend nahm uns Keya Choudhury, Gründerin und Geschäftsführerin von soulgardenberlin gUG, mit auf den Spaziergang durchs Viertel, um das Schulwegprojekt Berlin Marienfelde Revue passieren zu lassen.

Kinder des Übergangswohnheims Marienfelder Allee und der nahegelegenen Kiepert-Grundschule haben entlang ihres Schulweges Blumen gepflanzt, Nistkästen gebaut und an Bäumen angebracht, Stromkästen bunt angemalt, Müll gesammelt sowie mit Anwohnerinnen und Anwohnern gesprochen und gefeiert. Ideen gab es viele, möglich wurden sie aber nur in guter Zusammenarbeit bspw. mit dem Jugendamt und BENN (Berlin Entwickelt Neue Nachbarschaften) sowie mit der Förderung durch die Robert Bosch Stiftung. Auch das Straßen- und Grünflächenamt oder die Stromnetz Berlin GmbH, der die Stromkästen gehören, waren eingebunden und mussten es sein.

Der Schulweg führt durch öffentlichen Raum entlang privaten Eigentums. So selbstverständlich wie Kinder und Erwachsene sich auf ihm bewegen, ist seine Mitgestaltung durch sie nicht. Insofern gab es Herausforderungen, aber keine Unwegbarkeiten. Vieles lässt sich in Gesprächen und durch Abstimmungen lösen, und mit Planänderungen muss gerechnet werden. Angeregt vom Beispiel aus Berlin und konkrete Gegebenheiten in den jeweiligen Kommunen vor Augen, kamen einige Ideen zur Sprache:

  • Mittels Schulwegexpeditionen und -zeichnungen können Kinder ihre Wahrnehmung schärfen, Unübersichtlichkeiten, besonders schöne, aber auch gefährliche Stellen oder gar „Angstecken“ ausfindig machen.
  • Kinder gestalten bauliche und andere Elemente entlang ihres Schulwegs nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen.
  • Brachliegende, an die Schule angrenzende Flächen lassen sich bepflanzen oder anderweitig gestalten und aktiv in den Schulalltag einbinden und dabei Anwohnerinnen und Anwohner einbeziehen.
  • Bushaltestellen können Informationspunkte und Begegnungsorte sein.
  • Lern- und Sinnespfade, Spiel- und Verweilplätze lassen sich entlang von Schulwegen errichten.

Indem Kinder ihre Sicht auf die soziale, bauliche und natürliche Umwelt teilen, lernen nicht nur sie selbst eine Menge darüber, sondern auch Eltern und Lehrende. Diese Umwelt nicht nur als gegeben hinzunehmen, sondern sie verändern, auf sie Einfluss nehmen zu können, auch wenn oder gerade weil es dabei auch Enttäuschen geben mag, ist eine fundamentale und für die Zukunft ganz wesentliche Erfahrung.

Kommunen als Ermöglicher

Kommunen haben natürlich viele verschiedene Interessen und Bedürfnisse zu berücksichtigen. Dabei ist weniger oft mehr. Auch muss der Schulweg als Raum zur eigenen Aneignung erhalten und darf nicht, wenn auch gut gemeint, durchgeplant und vorhersehbar werden. Dennoch lässt sich aus Sicht einer Kommune mehr tun als auf die Verkehrssicherheit zu achten.

Das Umfeld von Schulen könnte Möglichkeiten der Begegnung mit der Nachbarschaft und der gemeinsamen Gestaltung sein, Spiel- und Sportstätten, Freiraumgalerien oder „Stolpersteine“ könnten auf Schulwegen liegen. Alles, was einen Schulweg dahingehend bereichert, mehr zu verweilen als zu eilen, wäre ein Gewinn – vermutlich nicht nur für Schülerinnen und Schüler. Kommunen haben es in der Hand, die relevanten Akteure der Verwaltung an einen Tisch zu bringen, ihre Netzwerke zu aktivieren, formale und vorgebliche Hürden zu überwinden und damit Wegbereiter zu sein.

Die Gestaltung bleibt wesentlich Kindern, Eltern sowie Anwohnern und Anwohnerinnen überlassen, um Verantwortung für das Entstehen und das Entstandene zu übernehmen. Nur Mut, der Weg ist das Ziel.

Kontakt

Ulrike Richter, Veranstaltungen

Tel.: 0345-6817821 E-Mail: urichter@dji.de