Fortbildung
Mutet das Wort Bildungslandschaft nahezu idyllisch an, prägt den Begriff Gebietskörperschaft eine nüchterne Sachlichkeit. Vorstellungen treffen auf Realitäten und müssen miteinander in Einklang gebracht werden. In diesem Spannungsverhältnis arbeiten Landkreise mit den ihnen angehörigen Kommunen von der Abwasserentsorgung bis zu Zweckverbandssparkassen zusammen. Auch für die Bildungslandschaft teilen sie Verantwortung und gestalten gemeinsam. Wie das gelingt, thematisierten wir in unserer Fortbildung am 26. Februar 2020 in Halle an der Saale.
Vielfältige Verwaltungslandschaft
38 Landkreise (11 davon in Sachsen-Anhalt, 10 in Sachsen sowie 17 in Thüringen) prägen neben 12 kreisfreien Städten die Verwaltungs- und auch die Bildungslandschaft Mitteldeutschlands. Sie erstrecken sich unterschiedlich weit in die Fläche und sind mitunter sehr kleinteilig gegliedert. So gehören dem Altmarkkreis-Salzwedel, der sich mit einer Einwohnerdichte von 37 Einwohnern pro km2 über nahezu 2.300 km2 erstreckt, 13 Gemeinden an, dem Landkreis Zwickau (337 E/km2, 950 km2) 33 und dem Saale-Holzland-Kreis (102 E/km2, 815 km2) hingegen 91.
Das verweist auf unterschiedliche Gegebenheiten vor Ort, andere Bedarfe und eigene Herausforderungen wie ein weitmaschiges Angebotsnetz der Daseinsvorsorge hier und ein enges Geflecht kommunaler Akteure da. Vor diesem Hintergrund lassen sich Rezepte für die Zusammenarbeit in und für die Gestaltung der lokalen Bildungslandschaft kaum formulieren, nicht eins zu eins übernehmen und schon gar nicht verschreiben. Mit dieser Einführung übergibt Jenny Richter, Leiterin der TransMit, das Wort an Dr. André Niedostadek, Professor für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht am Fachbereich Verwaltungswissenschaften der Hochschule Harz, für seinen Einblick in Rahmenbedingungen, Handlungsfelder und Gestaltungsmöglichkeiten interkommunaler Kooperation.
Geisteshaltung – der Faktor Mensch
Das A bis Z interkommunaler Kooperation reicht von der Abfallentsorgung bis zum Zusammenleben, das die Bereiche Bildung und Soziales berührt. Aufgrund begrenzter Ressourcen haben sich unterschiedliche Formen der gemeinsamen Koordinierung und der Zusammenarbeit längst etabliert mit dem Ziel, Effektivität wie auch Effizienz bei der Erfüllung kommunaler Aufgaben zu erhöhen. So seien es letztlich auch ökonomische Erwägungen, die darüber entscheiden, welche Aufgaben über die pflichtigen hinaus eine Gemeinde erfülle. Für die Zusammenarbeit mit dem Kreis sehen die Kommunalverfassungen der Länder hingegen Experimentierklauseln vor oder das Abweichen von Standards. Es gibt also neben eingeübten Formen auch rechtliche Spielräume, die es zu erkennen und zu betreten gelte.
Effizienz stellt dabei die Frage nach dem Wie und fordert Verwaltungsstrukturen heraus – aber auch die Denkweise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie ist der Schlüssel zu einer effizienten Zusammenarbeit – intra- wie interkommunal. Struktur ist ein statischer Begriff. Es helfe deshalb, Verwaltungshandeln dynamisch und als Prozess zu verstehen, in den es dauerhaft überführt werden müsse, ohne ihn zum Stillstand zu bringen. Das erfordere offene und umfassende Kommunikation von allen Beteiligten. Sie müssen darüber hinaus ein gemeinsames Verständnis der Zusammenarbeit entwickeln und sich dazu ebenso bekennen wie zu denselben Zielen. Auch für den Konfliktfall sollte vorgesorgt werden. Und der ist in den meisten Fällen nicht sachlich, sondern persönlich begründet. Allein das Gefühl, nicht oder – schlimmer noch – nicht in gleicher Weise informiert worden zu sein wie die anderen, kann die Zusammenarbeit nachhaltig stören und gemeinsame Vorhaben gefährden. Vertrauen ist also gut und Controlling ebenso.
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es
Aus der sich anschließenden Diskussion geht hervor, dass mit dem Land häufig ein dritter Akteur beteiligt ist. Einigkeit innerhalb eines Kreises und gegebenenfalls in der Region stärkt die lokale Position und bekräftigt das Recht auf kommunale Selbstverwaltung – trotz der vielfältigen Herausforderungen, vor denen ländliche Räume stehen. Dieser Tage zeigt sich das deutlich an den Verhandlungen um den Braunkohleausstieg zwischen Bund und Ländern, der kommunal ausgestaltet werden muss im Rheinischen, Helmstedter, Lausitzer und Mitteldeutschen Revier. Im Letzteren, am südlichen Rand des Saalekreises, liegt die Stadt Braunsbedra. Unmittelbar vom Strukturwandel betroffen, hatte sie sich ihm schon in den 1990er Jahren zu stellen. Wo 1993 der Tagebaubetrieb eingestellt wurde, befindet sich heute mit fast 19 Quadratkilometern Oberfläche der größte künstliche See Deutschlands und ringsum ein Naherholungsgebiet.
Über die dortige Bildungslandschaft und ihre Entstehung berichten Juliana Alferi, Bildungsmanagerin und -monitorerin, und Annett Hellwig, Leiterin des Amts für Bildung, Kultur und Tourismus des Saalkreises. Die Idee der „Bildungsstadt Braunsbedra“ reicht zurück in das Jahr 2013 und wurde im Jahr darauf vom Stadtrat gebilligt, der 2016 zudem das Leitbild beschloss. Entstehen und Entwicklung verdankt sie wesentlich dem unermüdlichen ehrenamtlichen Engagement zunächst in der AG Bildung, dann in der AG Übergang Kita-Grundschule. Zu den Ergebnissen dieser Arbeit zählen bisher u.a. Entwicklungsbögen, der Schulkindpass oder die Netzwerkkarte zu Sport- und Freizeitangeboten für Kinder.
Die Zusammenarbeit selbst, die über Jahre gewachsen ist und Strukturen etabliert hat, ist zugleich Voraussetzung wie Resultat. Die Vernetzung vor Ort wurde verbessert, das Thema Bildung fokussiert, das Miteinander gestärkt und ganz konkret auch das Übergangsgeschehen sowohl von der Kita in die Grundschule als auch von der Schule in den Beruf. Das Bundesprogramm „Bildung integriert“ ermöglicht darüber hinaus seit 2019 ein personell ausgestattetes datenbasiertes Bildungsmanagement in Braunsbedra. Das Projekt „Bildung gemeinsam verantworten“ ist in der Stadt angesiedelt, angestellt ist Frau Alferi allerdings beim Landkreis. Diese Konstellation ist eher unüblich, mag aber beispielgebend sein. Kreis und Gemeinde können vor Ort unter real gegebenen Bedingungen lernen und später Wissen und Erfahrungen mit anderen Gemeinden im Kreis teilen. Anwendung und Transfer kommen so praktisch wie pragmatisch zusammen.
Beide Vorträge bieten genügend Anknüpfungspunkte, um die Pause neben Mittagessen, Kaffee und Erfrischung mit angeregten Gesprächen zu füllen. Vertreterinnen und Vertreter von Landkreisen und aus angehörigen Gemeinden finden sich an Tischen ein, an denen sie auch auf Kolleginnen und Kollegen aus benachbarten Bundesländern treffen. Aus Brandenburg ist Britta Fraas angereist. Als Sozialplanerin im Landkreis Potsdam-Mittelmark berichtet sie aus Perspektive der integrierten Sozialplanung und aus einem Landkreis, der mit ländlichen Strukturen sowie der Ausstrahlung und den Anziehungskräften der angrenzenden Landes- und Bundeshauptstädte Potsdam und Berlin konfrontiert ist. Ausgleichsfunktionen, die dem Landkreis obliegen, werden auch hier offenbar.
Mit Wirkung
Die Sozialberichterstattung im Landkreis Potsdam-Mittelmark basiert auf verschiedenen Datenebenen von den kreisangehörigen Gemeinden über die vier Planregionen, in die der Landkreis aufgeteilt ist, bis auf die Kreisebene. Die Planungsarbeit bezieht alle thematischen Fachbereiche mit ein und reicht, sofern sinnvoll oder erforderlich, über diese hinaus. Neben der Zusammenarbeit im täglichen Verwaltungsbetrieb wurden dafür Strukturen entwickelt. So gibt es auf Landkreisebene die Pflegekonferenz, den Fachtisch der Eingliederungshilfe sowie das Regionale Sozialforum. Zweimal im Jahr kommen darin der Kreis und seine 19 angehörigen Gemeinden zusammen. Die Zusammensetzung variiert nach Tagesordnung und fördert somit den Wissenstransfer an die richtigen Stellen und Personen vor Ort.
Dort wiederum finden Sozialraumkonferenzen statt, die sich den konkreten Gegebenheiten widmen, wo Bedarfe und Handlungsansätze unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger diskutiert werden. Fachkräfteteams knüpfen daran an und entwickeln daraus Konzepte. Zwischen Gemeinde- und Kreisebene sind die vier Planregionen angesiedelt. Fachkräfte einer Planregion tauschen sich dreimal im Jahr aus. Beim vierten Treffen kommen die Regionalteams aller Planregionen zusammen. Deren Arbeit wird von vier Regionalkoordinatorinnen unterstützt. Somit sind Strukturen gegeben, die eine gute Zusammenarbeit und Planung gewährleisten. Ausgehend vom Sozialraum über die Planregionen bis auf die Kreisebene geschieht das nahe bei den Menschen bzw. ortsübergreifend, wo es notwendig oder sinnvoller ist.
Zu den Instrumenten der Zusammenarbeit zählen u.a. das Sozialraum- und das Familienbildungsbudget, Sozialraumprofile und Ressourcenkarten oder der Sozialraumvertrag, auf den sich Kreis und Gemeinde beiderseits verpflichten. Strukturen und Instrumente bilden offenbar ein gedeihliches Umfeld. Familienzentren als Orte der Begegnung konnten im gesamten Kreis geschaffen werden.
Ehrenamtliches Engagement wird gefördert mit der Offensive „Aktiv sein im Alter“ sowie der SeniorTrainer-Ausbildung. Das kommunale Bildungsmanagement ist mit ELAN überschrieben und steht für Engagement, Lebenslanges Lernen, Aktiv vor Ort und Netzwerke. Seine Arbeit gründet auf Daten und auf Beteiligung. Regelmäßige Bildungsberichte und -profile liefern Fakten und damit Grundlagen für den Beteiligungsprozess.
Das Forum Lebenslanges Lernen findet zweimal jährlich statt, und aller zwei Jahre wird eine Bildungskonferenz veranstaltet. ELAN unterstützt zudem das Entstehen eines Grundbildungsnetzwerks und analysiert Familienbildung in Kindertageseinrichtungen. Mitwirkung und Verbindlichkeit werden also großgeschrieben und sind Gelingensbedingungen bei der Umsetzung.
Voller Eindrücke und gestärkt nach einer kurzen Pause werden alle Gäste, die unserer Einladung nach Halle gefolgt sind, selbst aktiv, bevor sie zum Abschluss wieder im Plenum zusammenkommen.
Was Gelingen bedingt
Im Indien-Zimmer und in der Ungarn-Lounge, so die exotischen Namen der Räume in der Tagungsetage der Franckeschen Stiftungen, kommen die beiden Arbeitsgruppen zusammen und diskutieren über Ziele und Mehrwert interkommunaler Kooperation, über deren Arbeits- und Organisationsformen, über notwendige Ressourcen und schließlich über Voraussetzungen ihres Gelingens. Gespeist aus unterschiedlichen Erfahrungen lassen sich zusammenfassend folgende Erkenntnisse formulieren:
Ulrike Richter, Veranstaltungen