Fachtag
Erstmalig kamen am 24. und 25. Mai 2016 die Verantwortlichen der bildungsrelevanten Ämter und Fachbereiche unserer mitteldeutschen Transferkommunen zusammen. Bildungsakteure aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen trafen sich in Nordhausen, um Erfahrungen auszutauschen und von denen zu lernen, die sich bereits vor einigen Jahren auf den Weg zum kommunalen Bildungsmanagement gemacht haben.
„Über gute Gründe für kommunales Bildungsmanagement müssen wir hier nicht mehr reden.“ Dass Kommunen Verantwortung für ihre Bildung übernehmen, sei längst Selbstverständlichkeit. Mit diesen Worten beginnt Dr. Wilfried Kruse, Mitbegründer der Weinheimer Initiative, seinen Vortrag. Bis heute hätten sich deutschlandweit circa 300 Kommunen auf den Weg gemacht, ihre Bildungslandschaft vor Ort aktiv mitzugestalten. „Sie alle haben gute Gründe, dies zu tun“, sagt Kruse. Man müsse sie deshalb ebenso wenig überzeugen wie die Gäste im Saal.
Der Blick durch das Fenster auf das Kyffhäuser-Denkmal verrät: wir sind in Nordhausen, Thüringen. Es ist der 24. Mai 2016 – Auftakt unserer zweitägigen Fachtagung „Bildung ist Chefsache“. Im Publikum sitzen die Bildungsakteure aus 17 mitteldeutschen Transferkommunen. Eine Premiere, sagt Agenturleiterin Dr. Elke Schreiber in ihrer Begrüßung: „Heute haben wir zum ersten Mal alle die Städte und Landkreise unter einem Dach versammelt, mit denen wir zusammenarbeiten. Gemeinsam wollen wir über die Grenzen des Nachbarkreises hinausblicken, miteinander ins Gespräch kommen und uns immer wieder die Frage stellen: Wie machen es die anderen?“
Der Blick ins Programm verspricht Vorträge, Gesprächsrunden und Workshops rund um die Themen Bildungsmanagement und Bildungsmonitoring. Im Fokus stehen die regional unterschiedlichen Herausforderungen und Schwerpunktsetzungen kommunaler Bildungsarbeit. Die Tagung soll Raum bieten, die vorgestellten Ansätze zu diskutieren und Lösungsideen zu erarbeiten, die mit unserer Agentur in den Kommunen weiterentwickelt werden können.
Die Spinne im Netz
Es ist Mittag. Die Grußworte sind gesprochen, die Podiumsdiskussion und der Vortrag liegen hinter uns. Während die Gäste am Buffet miteinander ins Gespräch kommen, hallt das gerade Gehörte noch nach. Der Begriff Bildungsmanagement sei zu technokratisch, hatte Kruse in seinem Vortrag gesagt. "Er suggeriert, man brauche nur technisch die Fäden zusammenzuführen, und dann läuft das schon." Es gehe aber um einen Gestaltungsauftrag im Sinne einer impulsgebenden Federführung. Hierfür brauche es eine kommunale Koordinierung, die als "Spinne im Netz" die für Bildung wichtigen Menschen zusammenbringt, so Kruse mit den Erfahrungen aus zehn Jahren Weinheimer Initiative. Wie sich dieses Netz gestalten lässt und an welcher Stelle in der Verwaltung die Spinne ihre Arbeit verrichtet, sollte der Nachmittag zeigen. In zwei parallel laufenden Workshops geht es um die Fragen, wie Bildung koordiniert und Bildungsakteure miteinander vernetzt werden können.
"Wo haben Sie Ihr Bildungsmanagement in der Verwaltung verankert?", fragt Moderatorin Claudia Naumann die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich in ihrem Workshop "Bildung unter einem Dach" zusammengefunden haben. In den Antworten kristallisieren sich zwei grundsätzliche Organisationsmodelle heraus: die Anbindung an ein Amt oder eine eigenständige Stabstelle. Eine Stabstelle könne handlungswirksamer agieren. Die Kommunikation sei direkt auf der Leitungsebene angesiedelt, der Zugang zu den einzelnen Ämtern vereinfacht, sagt Sebastian Hilbert aus dem Bildungsbüro Elbe-Elster. Doch auch eine Amtsanbindung hat ihre Vorteile: "Besonders am Anfang profitieren die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von den guten fachlichen Austauschmöglichkeiten und der Nähe zur Arbeitsebene."
Gemeinsam mit seiner Kollegin Dagmar Fischer berichtet Hilbert von der Entstehung und dem heutigen Zuschnitt des Bildungsbüros im Landkreis Elbe-Elster, das 2008 seine Arbeit im Schulverwaltungs- und Sportamt aufnahm. Auslöser war ein Kreistagsbeschluss, der nach den Ergebnissen der PISA-Studie auf den Weg gebracht wurde. Heute ist das Bildungsbüro als Stabstelle organisiert. Es fungiert als Koordinator, Netzwerker, Ideengeber und Konfliktmanager in Bildungsfragen.
Abschließend ermutigen Fischer und Hilbert die Anwesenden dazu, sich trotz aller Zweifel und Hürden nicht vom Weg abbringen zu lassen. Ihr pragmatischer Appell in die Runde: "Machen Sie es sich einfach, machen Sie es einfach." Verwaltungen seien lernende Organisationen, die Fehler verzeihen. Hier gilt es, wachsen lassen und bei Bedarf anpassen. Der Erfolg gibt ihnen recht.
Das Netz der Spinne
Kommunales Bildungsmanagement ist Vernetzung. Es geht darum, dass sich die wichtigen Bildungsakteure an einen Tisch setzen und ihre Vorhaben aufeinander abstimmen. Das klingt erst einmal einfach, vernachlässigt aber, dass wir es hier mit Vertreterinnen und Vertretern von Institutionen zu tun haben, die mit unterschiedlichen Motiven, Zielen und Befindlichkeiten aufeinandertreffen. Diese übereinzubringen, brauche Zeit und diplomatisches Geschick, sagt Julia Koblitz. "Es reicht nicht, nur zu informieren.
Alle Akteure müssen aktiv mit eingebunden werden. Je mehr Vertrauen untereinander herrscht, desto besser die Zusammenarbeit.", so die Leiterin der Koordinierungsstelle Bildung-Beruf im Landkreis Osterode am Harz. Im Workshop "Bildung vernetzt" spricht sie über persönliche Beziehungen, Partizipation und Verbindlichkeit als Erfolgsfaktoren einer guten Zusammenarbeit.
Bereits 2004 startete der 76.000-Einwohner-Kreis im Rahmen eines Berufsschulprojektes erste Vernetzungs- und Abstimmungsrunden im Bildungsbereich. Von Beginn an hat der Landkreis versucht, partizipativ zu arbeiten. "Wir haben wirklich alle relevanten Akteure, die im Themenfeld sind, in den Bildungsbeirat geholt. Nur so konnten wir verhindern, dass andere parallel etwas auf den Weg bringen.", so Koblitz.
In der anschließenden Gruppenarbeit wird klar: Eine solche Aufgabe braucht Zeit und Menschen, die sich unabhängig von Projektlaufzeiten des Themas annehmen können. "Nicht selten werden die Strukturen im Bildungsmanagement an Förderprogrammen ausgerichtet.", sagt Oliver Wolff. Besser sei es, sich an Themen zu orientieren. Der Burgenlandkreis geht hier einen anderen Weg: "Wir bauen unsere Strukturen um bestehende Projekte auf. So etablieren wir Themen, die bleiben.", entgegnet Bildungsmanager Robert Aßmann mit Blick auf die Verstetigung von Förderprogrammen.
Zahlen, Daten, Fakten
Tag zwei: Der Saal im "Business and Innovation Centre" in Nordhausen füllt sich erneut. Unter die Gäste vom Vortag mischen sich neue Gesichter. Einige habe gerade erst eine Monitoring-Stelle im Rahmen von "Bildung integriert" angetreten, andere sind schon länger dabei. Eine von ihnen ist Dr. Jutta Laukart, die als selbsternannte "Überzeugungstäterin" seit 20 Jahren im Bildungsbereich tätig ist. In der nächsten Stunde wird die Mitarbeiterin der Transferagentur Hessen das "IT-Tool für das kommunale Bildungsmanagement" vorstellen und Tipps zum Datenmanagement geben.
In einer Datenbank wie dem "IT-Tool" bleiben die Datenquellen unberührt. Rechte können flexibel vergeben und Auswertungen regelmäßig oder ad hoc durchgeführt werden. "Wenn ich mich am Morgen an den Schreibtisch setze, kann ich mir auf Knopfdruck die aktuell verfügbaren Daten anzeigen lassen", so Laukart. Was hier sehr einfach und komfortabel klingt, benötigt jedoch langfristige Planung und ein durchdachtes Datenmanagement. "Von Anfang an muss klar sein, wer wann welche Zahlen liefert." Eine Aufgabe, die als Projekt aufgesetzt werden sollte und in einer Fachgruppe bearbeitet werden kann. Ein weiterer Tipp: "Binden Sie von Anfang an die IT mit ein. Erklären Sie den Mehrwert der Datenbank und treten Sie im Haus als Dienstleister auf." Um Zweifler zu überzeugen, sei es empfehlenswert, am Anfang ein bis drei wichtige Indikatoren herauszuziehen, beispielhaft durchzuspielen und in einem durchdachten grafischen Konzept zu präsentieren.
Im Landkreis Osnabrück geht dieses Dienstleistungsverständnis weit über das eigene Haus hinaus. Im Workshop "Aufbau einer kommunalen Bildungsberichterstattung" berichtet Andrea Stockmann, wie das Monitoring den kreisangehörigen Städten und Gemeinden über Regionalreports kleinräumige Daten zur Verfügung stellt.
Grenzen in der Praxis
"Sie bekommen die Leute nur dann an einen Tisch, wenn Sie mit Fakten begründen können, warum das notwendig ist." Im Workshop "Grundlagen des Bildungsmonitorings" knüpfen Katharina Gawronski vom Statistischen Bundesamt und Hannah Kreisz an das Programm des Vormittags an. Neben Laukart hatte Dr. Rainer Wolf – Kreisz‘ Kollege beim Statistischen Landesamt Baden-Württemberg – über "Rolle und Aufgabe des Bildungsmonitorings" gesprochen.
Seine theoretischen Ausführungen sollen am Analyse-Beispiel "Migration und Bildung" greifbar werden. Nach einem kurzen Überblick zu Indikatoren, Kennzahlen und Datenquellen geht es in den Austausch. Schnell wird klar: Die Datenbeschaffung im Migrationsbereich ist nicht einfach. Unklare Begrifflichkeiten, mangelnde Aktualität und eine sich ständig ändernde Gesetzeslage stellen die Verantwortlichen vor erhebliche Probleme. So sei es beispielsweise schwierig, verlässliche kreisgenaue Daten zu Bildungs- und Berufsabschlüssen, Herkunftsländern und Wanderungsbewegungen der Geflüchteten zu bekommen. Daten dieser Art würden jedoch benötigt, um Angebote besser an die Bedarfe der Neuzugewanderten anzupassen, sagt Cornelia Rohrbeck aus dem Landkreis Wittenberg. "Wir können leider nur die Themen erfassen, für die es eine rechtliche Grundlage gibt. Unsere Statistik hinkt damit zwangsläufig den Gesetzen hinterher", erklärt Wolf die Situation.
Deshalb empfehlen Gawronski und Kreisz, die Daten der amtlichen Statistik mit eigenen Erhebungen bzw. mit Daten der Träger und Einrichtungen vor Ort zu ergänzen.
Es gibt keine Musterlösung
Die Tagung neigt sich dem Ende zu. Während sich der Saal ein letztes Mal füllt, werden die Fotos der letzten 48 Stunden an die Wand projiziert: Aufmerksame Blicke, skeptische Blicke, Lachen. Es wurde referiert, diskutiert, gemeinsam gegessen, gemeinsam gearbeitet. Will man den Versuch unternehmen, die Fachtagung zusammenzufassen, dann wohl so: Es gibt nicht die eine Lösung für alle. Zu unterschiedlich sind die Voraussetzungen vor Ort.
Die Gremienstrukturen in Landkreisen sind andere als die in den Städten. "Bildung integriert"-Kommunen arbeiten anders als die nicht geförderten Regionen. Für einige Themen gestaltet sich die Datenlage günstig, für andere weniger. Grundsätzlich braucht es Menschen mit Sachverstand, die Vertrauen schaffen und ihre Ideen verkaufen können. Hierfür benötigen sie Zeit und Verbündete – in den Chefetagen, im Büro nebenan und in den Bildungseinrichtungen vor Ort.
Ulrike Richter, Veranstaltungen