Bildungswerkstatt
Bildungsmonitorerinnen und -monitorer greifen vorrangig auf Daten zurück, die andere schon erhoben haben. Aber was, wenn dieser Datenfundus nicht ausreicht, um wichtige bildungspoltische Fragestellungen in der Kommune in den Blick zu nehmen? Wenn die Aussagekraft der amtlichen Daten an ihre Grenzen kommt, dann können eigene Datenerhebungen Licht ins Dunkel bringen.
Ob es die Ungewissheit über den Sprachstand der Grundschülerinnen oder die Zukunftspläne von Schulabsolventen sind: Auch die Teilnehmenden der Bildungswerkstatt berichten, dass ihnen zur Verfügung stehende Zahlen kaum Aufschluss zu dringlichen bildungspoltischen Fragen in ihrer Kommune liefern. Dabei seien es gerade die detaillierten Darstellungen und Analysen der Ausgangssituation, die fundierte Entscheidungen im Bildungsbereich erst ermöglichen. Aussagekräftige Daten lassen sich oft nur durch eigene empirische Erhebungen bekommen. Doch was bedeutet es, eine eigene Erhebung durchzuführen und welche Dinge sind dabei zu beachten?
In einem ersten Austausch wird schnell deutlich, dass die Teilnehmenden über unterschiedliche Erfahrungen im Bereich von empirischen Untersuchungen verfügen. Einige haben bereits mehrere Forschungsprojekte umgesetzt, während andere kaum Berührungspunkte mit empirischen Untersuchungen hatten. Ebenso unterschiedlich sind die Planungsstände: Von der leisen Ahnung des Bedarfes einer eigenen Erhebung über die Erarbeitung eines konzeptionellen Gerüstes bis zur Auswertung des Datensatzes stehen die Teilnehmenden an verschiedenen Stationen des Forschungsprozesses.
Je nach aktuellem Arbeitsstand ergeben sich bei den Teilnehmenden unterschiedliche Wünsche an die Veranstaltung, wie etwa Einsichten in Aspekte des Datenschutzes, Varianten des Zugangs zu schwer erreichbaren Untersuchungsgruppen oder welche Punkte bei der Organisation einer empirischen Untersuchung grundlegend zu berücksichtigen sind.
Forschungsprojekte lassen sich in verschiedene Phasen unterteilen
Erste Antworten auf diese Fragen liefert Michael Brock, Landeskoordinator bei der TransMit, in seinem einführenden Vortrag. Indem man die Realisierung von eigenen Erhebungen in verschiedene Phasen unterteile, ließen sich einzelne Arbeitspakete unterscheiden und Schritt für Schritt abarbeiten. Den Ausgangspunkt einer jeden Untersuchung bildet die konkrete Fragestellung.
Sie gibt der eigenen Planung Halt und Orientierung, indem sie Wichtiges von Unwichtigem trennt und den roten Faden für die Untersuchung spinnt. Die Fragestellung steht dabei immer vor einem starken theoretischen Gerüst, das den Forschenden relevante Begriffe und Zusammenhänge im Forschungsthema liefert und damit wesentlich die Form der Ergebnisse bestimmt.
Es läuft auf die Frage hinaus: Was ist mir wichtig? Will ich beispielsweise bei der Untersuchung des Bildungsstandes von zugewanderten Menschen wissen, wie lange sie in der Schule waren, welche Zertifikate sie erworben haben oder welche Lesekompetenzen sie mitbringen? Welche der Informationen würde mir helfen die Fragestellung zu beantworten?
Nachdem diese grundlegenden konzeptionellen Entscheidungen getroffen sind, geht es in die Phase der Forschungsplanung, die einen Schwerpunkt im Vortrag von Brock einnahm. Er stellte dar, wie eng das Erhebungsdesign, die gewählte Stichprobe und das Erhebungsverfahren mit dem eigenen Ressourcenplan zusammenhängen. Steht etwa kein Geld für Briefporto bereit, können Fragebögen nicht postalisch versendet und alternative Formen der Befragung müssen gefunden werden.
Ähnliches gilt, wenn alle Auszubildenden in der Kommune befragt werden sollen. Habe ich genügend Leute, um die Befragung in allen Klassen selbst durchzuführen? Oder könnten die Lehrerinnen und Lehrer dies übernehmen? Ist möglicherweise auch eine Online-Erhebung realisierbar?
In der anschließenden Diskussion wurde rege darüber debattiert, in welcher Form etwa die Eltern in die Genehmigung einer Befragung ihrer minderjährigen Kinder eingebunden werden müssen. Überhaupt wurde intensiv über Datenschutzkonzepte gesprochen. Wer muss mir „grünes Licht“ für meine Untersuchung geben? Wie darf ich mit den erhobenen Daten umgehen? Was darf ich darstellen? Wem darf ich die Daten weiterreichen?
Hier sei es wichtig, sein Vorhaben immer mit den Datenschutzbeauftragten der Kommune und des Landes abzustimmen. Sie helfen, dass Datenschutzkonzept „wasserdicht“ zu machen und verweisen auf die relevanten Stellen, an die man sich für eine Genehmigung wenden muss. Weiterhin stand die Frage im Raum, wie sinnvoll mit größeren Mengen von quantitativen Daten umgegangen werden kann. Wie leistungsfähig ist hier Excel und wann sind andere Software-Lösungen nötig?
Eigene Untersuchung in einem heiklen Forschungsfeld
Nach der Mittagspause wurden die Teilnehmenden selbst tätig. Sie waren angehalten mit Hilfe einer Checkliste für die Durchführung von Datenerhebungen eine eigene Erhebung zu planen. Die Ausgangssituation war dabei recht knifflig: Es galt etwas über die Zukunftspläne von Jugendlichen im Strafvollzug und ihren Weg nach der Haftentlassung in Erfahrung zu bringen.
Die Arbeitsergebnisse aus den einzelnen Gruppen wurden am Ende zu einem gemeinsamen Erhebungsplan zusammengefügt. Dabei ergaben sich vielfältige Diskussionen, z.B. über das allgemeine Erhebungsdesign, wie der Zugang zur Zielgruppe und ihr Vertrauen gewonnen und wie die Jugendlichen nach der Entlassung weiterhin erreicht werden können. Die Teilnehmenden entwickelten in der Diskussion gemeinsam unterschiedliche Lösungen für die zahlreichen Probleme, die bei der Umsetzung einer derartigen Untersuchung auf die Forschenden zukommen würden.
Wie geht es weiter?
In der Abschlussrunde hoben die Teilnehmenden hervor, dass die Veranstaltung für die Erfahrenen eine willkommene Auffrischung gewesen und die kritische Reflexion über mögliche Stolpersteine hilfreich gewesen sei. Mit einer guten Planung und der Kenntnis um die einzelnen Arbeitspakete und Schritte sei es nun möglich, den Vorgesetzten detailliert darzustellen, was es für die Durchführung einer eigenen Erhebungen brauche und wo die Kommune unterstützen kann.
Schlussendlich sei niemandem geholfen, wenn eigene Untersuchungen „quick-and-dirty“ durchgeführt würden und dann an Fehlern scheitern, die durch eine informierte und achtsame Planung hätten verhindert werden können. Lieber eine gut gemachte Erhebung als viele unbrauchbare.
Ulrike Richter, Veranstaltungen