Bildungswerkstatt

Bildungsmonitoring VI:
Kleinräumige Daten

Oft sind Daten auf lokaler Ebene zu grob. Spezifische Probleme werden so nicht sichtbar. Aus diesem Grund ist es wichtig, Daten kleinräumig zu erfassen und auszuwerten. Je kleinräumiger die Analyse, umso passgenauer können neue Maßnahmen entwickelt werden. In der Bildungswerkstatt am 21. Juni haben 28 Bildungsakteure aus Mitteldeutschland in den Räumen der Frankeschen Stiftungen zu Halle einen Blick durch die Lupe gewagt.  

Auge für das Detail

Je kleinräumiger die Datenanalyse, umso passgenauer können Maßnahmen entwickelt werden.

Landflucht ist ein weitverbreitetes Thema in den Kommunen. Wird aufgrund sinkender Schülerzahlen eine Schule geschlossen, entfällt eine wichtige Bildungseinrichtung vor Ort. Das hat zur Folge, dass noch mehr Menschen wegziehen, weil Eltern ihren Kindern keine derartig langen Wege zur Schule zu muten wollen. Es ist eine Sackgasse.

Um negativen Entwicklungen entgegenzuwirken, sollten mit Hilfe kleinräumiger Daten Probleme und Risiken vor Ort sichtbar gemacht und durch gezielte Förderung darauf reagiert werden. Das kann in diesem Beispiel eine verbesserte Infrastruktur oder der Erhalt der Schule sein.

Durch ein sozialräumiges Bildungsmonitoring wird ein Blick durch die Lupe gewagt und die Bildungssituation kleinräumig betrachtet. Das erleichtert kommunales Handeln für eine zielgerichtete Förderung der Bedarfe.

Auge fürs Detail

In unserer Bildungswerkstatt am 21. Juni in den Frankeschen Stiftungen zu Halle haben wir gemeinsam mit 28 Teilnehmenden den Blick durch die Lupe gewagt, indem wir uns mit charakteristischen Bedingungen vor Ort auseinandergesetzt haben. Kreis- und Stadtebene wurden in kleinflächige Räume unterteilt und betrachtet, um die gesellschaftlichen Entwicklung der darin lebenden Menschen zu untersuchen und aufzuzeigen. Oft sind Daten auf lokaler Ebene zu grob. Spezifische Probleme wie soziale und demografische Unterschiede werden so nicht sichtbar. Aus diesem Grund ist es wichtig, Daten kleinräumig zu erfassen und auszuwerten. Je kleinräumiger die Analyse, umso passgenauer können neue Maßnahmen entwickelt werden.

Bei unserem Warm-Up sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufzeigen, was sie persönlich unter sozialen Räumen verstehen. „Landkreis“, „Quartier“, „Stadtbezirk“ – der Blick war bereits geschärft und schaffte eine ideale Voraussetzung für die folgenden Impulsreferate.

Passgenaue Förderung durch kleinräumige Daten auf lokaler Ebene

Enrico Stahlkopf berichtete über die Rolle der kleinräumigen Daten im Rahmen des kommunalen Bildungsmanagement auf Landkreisebene. Der Bildungsmonitorer und Schulentwicklungsplaner erzählte von den Erfahrungen aus Vorpommern-Greifswald – dem flächenbezogenen drittgrößten Landkreis Deutschlands und ehemalige “Lernen vor Ort“ Kommune. Dort ist die sozioökonomische Ausgangslage der Bevölkerung sehr unregelmäßig und erfordert deshalb eine genaue Betrachtung der einzelnen Sozialräume.

Auch Bildungsmanager Frank Westhold hat ein Auge fürs Detail bewiesen als er über das kleinräumige Monitoring in der Stadt Osnabrück sprach. Um Entscheidungshilfen für zukünftige Maßnahmen in den Bezirken der Stadt zu geben, wurden die bereits bestehenden in neue, vergleichbare Räume unterteilt, die sich in den Bedarfsmerkmalen voneinander unterschieden und eine ähnliche Bevölkerungsgröße haben.

Diese Sozialräume wurden nun datenbasiert untersucht, um Maßnahmen in der Stadt besser entscheiden zu können und passgenaue Förderungen für die verschiedenen Bedarfe in den Bezirken zu planen. Westhold erklärt wie sich dafür ein Index entwickeln lässt: Pro Teilraum werden Informationen zu Altersstruktur und zu sozialen Situationen wie etwa Arbeitslosenzahlen und Transferleistungsempfänger erfasst. Mithilfe statistischer Verfahren wird aus diesen Infos ein Index gebildet, der eine Typisierung der Sozialräume zulässt. Die vergleichende Betrachtung der Sozialraumtypen gibt Hinweise, wo kommunaler Handlungsbedarf besteht.

Auch Stahlkopf erarbeitet für Vorpommern-Greifswald individuelle Indices mit entsprechenden Indikatoren. Er betont, dass er für ein bedarfsgerechtes Bildungsmonitoring sowohl quantitative – „harte“ – und qualitative – „weiche“ – Daten verwendet. Neben den amtlichen Daten auf Kreis- und Gemeindeebene lege er sehr viel Wert auf weiche Daten, die er durch qualitative Informationen aus Befragungen und Projekten gewinnt.

„Um vor Ort aktiv zu sein, muss ich wissen, was vor Ort los ist“, meint Stahlkopf. Deshalb gibt es beispielsweise ein Projekt zusammen mit Studierenden die sich die Situation in den einzelnen Kommunen genauer ansehen und mit den Menschen vor Ort persönlich in Kontakt treten, um Daten zu bekommen, die keine Statistiken erfassen.

Alle Informationen werden zusammengetragen und ausgewertet, sodass kommunale Pläne und Fördermaßnahmen auf der Lokalebene zugeschnitten werden können. Dabei müsse auf den Einzelfall, auf die lokale Besonderheit eingegangen werden, um in Zukunft passgenaue Entscheidungen zu treffen.

Für eine positive Kreis- und Stadtplanung muss gefühltes Wissen über die Situation vor Ort durch Faktenwissen ersetzt werden, da sind sich Stahlkopf und Westhold einig.

Erfahrungsaustausch aller Teilnehmenden

Auch die mitteldeutschen Bildungsakteure sollten zu Wort kommen und über ihre bisherigen Erfahrungen mit kleinräumigen Daten erzählen. Für einige sei das Thema ein Novum und müsse erst Stück für Stück aufgebaut werden. Mithilfe dieser Veranstaltung konnten sie erste Anhaltspunkte finden und Tipps zur Umsetzung sammeln.

Andere Teilnehmende berichteten, dass in ihrer Kommune nur wenige Daten erfasst werden oder dass der Austausch dieser noch nicht reibungslos verlaufe. Daran soll zukünftig gearbeitet werden. Die einzelnen Akteure vor Ort möchten enger zusammenarbeiten. Manche haben die Erfahrung gemacht, dass die bisher gesammelten Daten, die ihnen zur Verfügen stünden, nicht kleinräumig genug seien. In Zukunft soll geprüft werden, welche Daten vorliegen und auch eigene erhoben werden.

Wiederum andere haben damit kein Problem, jedoch mit der Veröffentlichung der Daten. Wenn die Ergebnisse öffentlich falsch interpretiert werden, sei Stigmatisierung oft die Folge. Die Teilnehmenden sind ich einig, dass die Daten sensibel behandelt werden müssen. Nach außen hin müsse klar kommuniziert werden, dass die Analyse kleinräumiger Daten keine Menschen kategorisiert oder ein Ranking von Bezirken oder Schulen darstellt.

Das eigentliche Ziel müsse klar geäußert werden: Die Auswertung gesammelter kleinräumige Daten kann zu einer positiven Entwicklung verhelfen, weil sozialräumige Probleme mit entsprechenden Förderungen gelöst werden können. Auch die Inputgeber Stahlkopf und Westhold stimmen zu. Ein Beispiel dazu war, dass ein Stadtteil, in dem viele Alleinerziehende leben, nicht negativ angeprangert, sondern entsprechend untersucht wird, welche Auswirkungen das hat und wie die Bedürfnisse der Alleinerziehende vor Ort besser unterstützt werden können. Diese Sozialraumtypisierung könnte somit bei einer Entscheidung verhelfen, ob eine Kita in ein Familienzentrum umgewandelt wird.

Alle sind sich einig, dass das kleinräumige Bildungsmonitoring wichtig ist, um Projekte und Förderungen zielgenau zu planen. Es besteht der einheitliche Wunsch, Zusammenhänge empirisch darzustellen und zu analysieren, um einzelne Bereiche passgenau zu fördern – ohne zu stigmatisieren.

Eigenständige Gruppenarbeit

Als nächstes sollten die teilnehmenden Bildungsakteure ein vorgegebenes Indexfeld in kleinen Gruppen erarbeiten. Sie sollten überlegen, was ein solcher Index leisten könne. Anschließend wurden die Ergebnisse in gewohnter Runde vorgestellt und diskutiert. Die  Inputgeber haben gemeinsam mit ihnen ausgewertet, ob die Schwerpunkte richtig gesetzt wurden, ob die Merkmale spezifisch genug waren und welche Probleme beim ausfüllen der Felder auftraten. „Umso größer und komplexer ein Index, desto demonstrativer wird er, sinkt aber vom Informationsgehalt, weil nicht differenziert wird“, betont TransMit Moderator Matthias Müller. Gemeinsam wurde ergänzt oder geschärft. Westhold und Stahlkopf gaben viele hilfreiche Tipps, sodass die Bildungsakteure in Zukunft für ein kleinräumiges Bildungsmonitoring in ihrer Kommune gewappnet sind.

Reges Interesse

„Man kriegt immer so viele Ideen, wenn man mitbekommt, was in anderen Kommunen los ist und welche Ansätze es dort für Probleme gibt. Man merkt, dass man nicht allein ist“, findet Juliane Kumst aus der Stadtverwaltung Eisenach. Sie besuche zum wiederholten Mal eine unserer Veranstaltungen und nehme immer wieder etwas für sich mit. Bei den Bildungsakteuren bestünde reges Interesse, sich in Zukunft tiefgründiger mit dem sozialräumigen Bildungsmonitoring auseinanderzusetzen – insbesondere für die Bildung von Indizes. Ein weiterer gemeinsamer Austausch an Ideen und Lösungen zur allgemeinen Fortbildung sei allzeit willkommen.
 

Kontakt

Ulrike Richter, Veranstaltungen

Tel.: 0345-6817821 E-Mail: urichter@dji.de