Das Altenburger Land hat das Förderprogramm „Bildung integriert“ in der zweiten Förderphase beantragt. Seit Oktober 2020 ist Marie-Luise Gerhardt im Landkreis sowohl für das Bildungsmanagement als auch für das Bildungsmonitoring zuständig. Das Beispiel zeigt, wie sich durch thematische Schwerpunktsetzung schnelle und gute Ergebnisse erzielen lassen.
„Dadurch, dass ich beide Tätigkeiten vereine, kann ich Bildungsthemen von A bis Z in einer Person durchdenken.“
Im östlichsten Teil Thüringens, an der Grenze zu Sachsen und Sachsen-Anhalt, liegt das Altenburger Land. Etwa 89.000 Menschen leben in der strukturschwachen Region, die durch Abwanderung und Alterung geprägt ist. Mit dem Ausstieg aus der Braunkohleförderung steht der Landkreis wie andere Kommunen des Mitteldeutschen Kohlereviers vor neuen Herausforderungen.
„In den letzten Jahren sei viel bewegt worden“, sagt Marie-Luise Gerhardt. „Mit dem Lindenau-Museum haben wir beispielsweise einen starken Ort der kulturellen Bildung in der Region. Es gibt zudem viele engagierte Menschen und Initiativen, die eine Umgebung schaffen, die zum Bleiben einlädt.“ Dieses Engagement möchte sie sichtbar machen, um die Vielfalt der Bildungslandschaft im Altenburger Land nach außen zu transportieren. Das gehe nur, wenn das Wissen über dieses Engagement gesammelt und weitergetragen werde.
Bildung von A bis Z in einer Hand
Seit Oktober 2020 ist Gerhardt im Landkreis sowohl für das Bildungsmanagement als auch für das Bildungsmonitoring zuständig. „Eine Herausforderung ist das schon“, sagt sie, „aber eine die mich reizt.“ Grundsätzlich sei es gut, beide Bereiche zusammenzudenken. „Dadurch, dass ich beide Tätigkeiten vereine, kann ich Bildungsthemen von A bis Z in einer Person durchdenken.“ Auch der Wechsel zwischen den Aufgaben sei spannend. „Im Monitoring kann ich mich intensiv mit Daten auseinandersetzen. Als Bildungsmanagerin sind hingegen stärker kommunikative Kompetenzen gefragt.“
Organisatorisch ist Gerhardt direkt bei der Stabsstelle strategische Sozialplanung angegliedert. Damit ist Gerhardt unmittelbar dem Fachbereichsleiter Soziales, Jugend und Gesundheit unterstellt. Strategische und inhaltliche Entscheidungen des kommunalen Bildungsmanagements werden in der Steuerungsgruppe strategische Sozialplanung getroffen. Durch die Einbindung der Verwaltungsspitze – neben Landrat Uwe Melzer sind u. a. auch der Fachbereichsleiter für Soziales, Jugend und Gesundheit sowie die Fachdienstleiterin Schulverwaltung vertreten – können direkt verbindliche Entscheidungen getroffen werden.
Angesichts des späten Einstieges in das Programm und den Kontaktbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie hat sich Gerhardt zunächst auf die Datenerhebung konzentriert. Gemeinsam mit anderen Planerinnen und Planern hat sie die AG Planung und Monitoring ins Leben gerufen. Deren Ziel ist die Entwicklung und kontinuierliche Fortführung einer gemeinsamen Datenhaltung. Dadurch soll vermieden werden, dass Daten doppelt vorgehalten werden. Perspektivisch sind auch gemeinsame Erhebungen geplant. Synergien herstellen und zusammenarbeiten, sei die übergeordnete Idee der AG, sagt Gerhardt. Das langfristige Ziel: ein Konzept für die integrierte Planung im Landkreis.
Mit Daten zum Dialog anregen
Sichtbar machen, was Bildungsmanagement leisten kann, darum ging es Gerhardt zu Beginn ihrer Arbeit. Dafür hat sie sich zwei konkreten Problemfeldern gewidmet: den Schulabgängerinnen und -abgängern ohne Hauptschulabschluss und dem Ausbildungsplatzmatching. Zu jedem Schwerpunkt ist jeweils ein Kurzbericht entstanden. Um eine breitere Diskussion zu initiieren, stellte Gerhardt die Ergebnisse im Jugendhilfe-, Schul- und Sozialausschuss vor.
„Ich habe schnell gemerkt, dass ich meine Vortragsweise anpassen muss. Als eine von vielen Vortragenden kann ich nicht nur Zahlen referieren – so kommt kein Dialog zustande“, gibt Gerhardt zu bedenken. „Um einen anregenden Austausch zu schaffen, habe ich die Trennung in Vortrag und anschließende Fragerunde aufgelöst und die Teilnehmenden aufgefordert, Fragen unmittelbar zu stellen“, sagt sie. Im Sozialausschuss seien so neben vielen Impulsen auch neue Fragen aufgetreten, die über das hinausgingen, was in den Berichten beantwortet wurde. „Es war auch notwendig, die Erwartungen zu bremsen“, so Gerhardt. So sei etwa eine eigene Erhebung in der noch laufenden Projektzeit nicht zu realisieren. „Das wäre etwas für die Verstetigung, wenn das kommunale Bildungsmanagement auch über das Ende der Projektlaufzeit hinaus im Landkreis verankert werden würde“, sagt Gerhardt mit Blick in die Zukunft.
Aktuell widmet sich Gerhardt einem der zentralen Herausforderungen im Altenburger Land: den niedrigen Schülerzahlen in der Region. Immer weniger junge Menschen leben im Landkreis. Viele verlassen nach der Schule ihre Heimat. Für Unternehmen in der Region wird es deshalb immer schwieriger, freie Ausbildungsplätze zu besetzen. „Die sinkenden Absolventenzahlen wirken sich deutlich auf den Ausbildungsmarkt aus“, gibt Gerhardt zu bedenken. Den Nachwuchsmangel kann die Bildungsmonitorerin beziffern: Im Jahr 2020 gab es 710 Absolventinnen und Absolventen. Von diesen haben sich 231 bei der Bundesagentur für Arbeit für eine duale Ausbildung gemeldet. Hinzu kommen Jugendliche, die selbstständig eine Ausbildungsstelle suchen. Dennoch blieben am Ende von 457 gemeldete Berufsausbildungsstellen 100 unbesetzt.
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, das zeige der datenbasierte Blick auf die Schülerzahl, müssten mehr Jugendliche von einer Ausbildung im Landkreis überzeugt werden. Für die Managerin Gerhardt stellt sich die Frage, wie Schulabgängerinnen und -abgänger zum Bleiben motiviert werden können. Hierfür gilt es die dualen Ausbildungsmöglichkeiten der Region sichtbarer zu machen und den Übergang von der Schule in den Beruf in den Blick zu nehmen.
Auf den Nachwuchsmangel reagieren
Für die verbleibende Programmlaufzeit hat sie sich viel vorgenommen. Das Bildungsmanagement will noch stärker mit den Akteuren am Übergang zusammenarbeiten. Gerade mit Schulen und Unternehmen sucht Gerhardt das Gespräch. „Mich interessiert beispielsweise die Frage, welchen Unternehmen es gut gelingt, Ausbildungsstellen zu besetzen und warum.“ Denn mit statistischen Mitteln könne wenig darüber gesagt werden, warum Stellenbesetzungen scheitern. Um solche blinde Flecken aufzudecken, brauche es das informelle Wissen der Akteure vor Ort.
„Meine Rolle ist die einer Multiplikatorin, die Wissen sammelt und Wissen weitertragen möchte.“
Im Landkreis gibt es verschiedene Anlaufstellen für Jugendliche, die sie beim Übergang von der Schule zur Ausbildung unterstützen. Eine ist die Jugendberufsagentur Level 3, ein gemeinsames Projekt des Landratsamtes, der Agentur für Arbeit, dem Jobcenter und dem Schulamt Ostthüringen. Die Bildungslotsinnen und -lotsen von Level 3 beraten in allen ausbildungs- und berufsbezogenen Fragen. Die Zusammenarbeit ist unkompliziert – man kennt sich gut. Denn neben einem Arbeitsplatz in der Stabsstelle hat Gerhardt auch einen in der Jugendberufsagentur.
Gemeinsam gibt es mehrere Kooperationsprojekte. So planen sie zusammen den Neustart des Projekts „Kurs 21“. Ziel ist es, die Kooperation zwischen Schule und Wirtschaft zu stärken und das Ausbildungsplatzmatching zu verbessern. Gerhardt arbeitet außerdem in zwei Arbeitskreisen der Jugendberufsagentur zum Übergangsmanagement mit: „Im AK Schule und Wirtschaft können Schulleiterinnen und -leiter unkompliziert nachfragen, wenn etwa Schülerinnen und Schüler noch akut eine Praktikums- oder Ausbildungsstelle suchen“, sagt Gerhardt. Vertreterinnen und -vertreter aus IHK, Handwerkskammer, Kreishandwerkerschaft, Kreissportbund und der Agentur für Arbeit kommen im AK Sport-Handwerk-Wirtschaft zusammen. Auch hier vernetzen sich Akteure mit dem Ziel, den Fachkräftebedarf langfristig zu sichern.
Vernetzen und Wissen weitertragen, das entspricht dem Selbstverständnis von Gerhardt. „Meine Rolle ist die einer Multiplikatorin, die Wissen sammelt und Wissen weitertragen möchte.“ Junge Menschen von einer dualen Ausbildung in der Region begeistern, das ist ein Ziel von Gerhardt. Schulen und Unternehmen werden auch hier zu wichtigen Kooperationspartnern des kommunalen Bildungsmanagements. Bislang war das durch Corona nur eingeschränkt möglich.
Daten nutzen, Themen identifizieren
Eine zweite Projektidee hat sich aus dem Kurzbericht zu Schulabgängerinnen und -abgängern ohne Abschluss ergeben. „Es hat sich gezeigt, dass Analysen früh in der Bildungsbiografie ansetzen sollten“, sagt Gerhardt. Deshalb will sie gemeinsam mit der Jugendberufsagentur genau hinschauen: „Wir planen eine datenbasierte Bestands- und Bedarfserhebung, um darauf aufbauend ein Konzept zu erarbeiten, wie diese Jugendlichen im Landkreis unterstützt werden können.“ Der transparente Blick soll dabei helfen, die Kooperation zwischen den verschiedenen Akteuren zu stärken, die mit Schulabsentismus befasst sind.
Um schnell und präzise Daten aufzuarbeiten, hat sich im Altenburger Land besonders der Kurzbericht als geeignetes Mittel erwiesen. So können zentrale Arbeitsfelder des Landkreises wie Schulabgang und Ausbildungsplatzmatching bearbeitet werden. Gerade bei regionalen Fragestellungen gelang es dem Bildungsmonitoring, mit empirischen Daten bildungspolitische Maßnahmen anzustoßen. Für die Zukunft wünscht sich Gerhardt einen umfangreichen Beteiligungsprozess, indem die Bildungsakteure (etwa in einer Bildungskonferenz) wichtige Aufgaben und Probleme identifizieren können, die dann vom Bildungsmanagement bearbeitet werden können.
Jakob Eichner, Kommunalberatung Thüringen