Im Sommer 2018 erschien der erste Bildungsbericht der Stadt Jena unter dem Titel „Allgemeinbildende Schulen und Freizeitlernen junger Menschen in Jena“. Der Bericht entstand im Rahmen des Bundesprogramms „Bildung integriert“ und soll als Basis für bildungspolitische Entscheidungen dienen. Der Jenaer Bildungsmonitorer Jan Wiescholek erstellte die Veröffentlichung in enger Abstimmung mit Bildungsmanagerin Stefanie Teichmann sowie der Leitung des Dezernats IV – Familie, Bildung und Soziales.
In dem Bericht werden die Entwicklungen der letzten Jahre in den Bereichen Schule und Freizeitlernen anhand verfügbarer Daten nachgezeichnet. Bemerkenswert ist die Sichtweise der damaligen Verwaltungsspitze auf das Dokument. So heißt es im Vorwort von Frank Schenker, dem im Sommer 2018 in den Ruhestand gewechselten Bürgermeister: „Die Stadt Jena kann die Rahmenbedingungen guter Bildung schaffen, erhalten und weiterentwickeln. Dazu dient der vorliegende Bericht, in dem Entwicklungen dargestellt sowie Tendenzen im Bildungsbereich beschrieben werden. Es wird ebenso deutlich, wo Veränderungsmöglichkeiten bestehen.“
Diese Perspektive passt zum hohen Stellenwert, den das Thema Bildung in der Universitätsstadt seit jeher genießt. Auch das Thema Schulen wurde nicht zufällig für den ersten Bildungsbericht gewählt. Seit der Wiedervereinigung profilierte sich Jena mit einer schülerfreundlichen und innovativen Schullandschaft, die bundesweit Anerkennung findet.
Die Berichtserstellung fand von Herbst 2017 bis Sommer 2018 statt. Zuerst erfolgte die Themenfindung innerhalb des Dezernats. Zentral war die Frage, ob man einen alle Lebensphasen umfassenden Bericht oder eine thematisch eingegrenzte Veröffentlichung bevorzuge. Angesichts der zeitlichen Ressourcen und politischen Erwägungen entschied man sich für einen Teilbericht. Das Kernthema „Schulen, non-formale und informelle Bildung“ wurde festgelegt sowie ein Konzept verfasst.
Gleichzeitig wurden Ideen zur Datengewinnung gesammelt. Wichtige Erkenntnisse des Berichts seien beispielsweise die hohe Inklusionsquote in Jena, die niedrige und stetig gefallene Schulabbrecherquote sowie ein auffällig großes Angebot an non-formaler Bildung und informellem Lernen, berichtet Sozialwissenschaftler Wiescholek.
Er beschreibt die Berichtserstellung im Nachgang als arbeitsintensiv. Ein langer Atem sei erforderlich und der Prozess bis zum fertigen Bericht für eine Person sehr umfangreich. Man dürfe sich nicht in zu viel Detailarbeit verlieren und müsse Akteure einbeziehen, deren Bereiche beschrieben werden. Im besten Fall solle den Autorinnen und Autoren während der Erstellung eine begleitende AG zur Seite stehen, die den aktuellen Stand fachlich bewertet und ggf. neu ausrichtet.
Der Empiriker hat aus der Erfahrung heraus noch einen Hinweis: „Bei langen Berichten sollte es gute Zusammenfassungen geben! Denn nicht jede und jeder wird den gesamten Bericht lesen.“ Nur so könne man gewährleisten, dass das Produkt auch angemessen genutzt werde.
Wiescholek kämpfte für seine Position, Datenanalyse und normative Ebene zu trennen. Er empfiehlt, dass eine Expertengruppe Handlungsempfehlungen erarbeiten solle. Das datenbasierte Bildungsmanagement sollte dabei ein Teil der Expertengruppe sein. Diese sei in Jena jedoch noch nicht etabliert.
Genutzt wird der Bericht seit seiner Veröffentlichung auf verschiedenen Ebenen. So wurde er im Kultur- sowie dem Jugendhilfeausschuss vorgestellt. Im Stadtrat wurde er eine Stunde lang besprochen. Dort gab jede Fraktion ein Statement ab. Außerdem wurde die Arbeit gelobt. Der Tenor aus dem politischen Raum war: „Es war Zeit für so einen Bericht!“ Speziell der Fokus auf das schwierig zu fassende Thema „non-formale Bildung und informelles Lernen“ rang den Beteiligten Respekt ab.
Innerhalb der Verwaltung und der Eigenbetriebe soll der Bericht als Arbeitsgrundlage dienen. Auch für den Dialog mit der Zivilgesellschaft soll die Veröffentlichung ihren Beitrag leisten. Dass der Deutschlandfunk, ein lokaler Fernsehsender sowie die Lokalpresse ausführlich berichteten und somit zeitgleich Werbung für die Stadt machten, ist für Jan Wiescholek ein nutzbringender Nebeneffekt.
Der erste Bildungsbericht gliedert sich in vier übergeordnete und in sich abgeschlossene Kapitel. Im ersten Kapitel werden zunächst grundlegende Konzepte, Begriffe und methodische Hinweise gegeben. In Kapitel 2 werden die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Jena im Zeitraum von 2012 bis 2016 betrachtet.
Das dritte Kapitel stellt schulische Bildung an allgemeinbildenden Jenaer Schulen dar. Es enthält Informationen zur Entwicklung und dem Status quo der Jenaer Schullandschaft hinsichtlich Schulinfrastruktur und -nutzung, Bildungsbeteiligung nach sozialstrukturellen Merkmalen, Schullaufbahnen, pädagogischem Personal, Unterricht, Bildungserfolg, zu ergänzenden und außerunterrichtlichen Angeboten sowie der Gestaltung des Schulalltags. Ein Spezifikum dieses Kapitels liegt in der Langzeitdarstellung von Kernkennzahlen ausgehend vom Schuljahr 1992/93, die den Wandel der Jenaer Schullandschaft sichtbar macht.
In Kapitel 4 steht non-formales und informelles Lernen mit Fokus auf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Mittelpunkt. Non-formales und informelles Lernen werden in den Bereichen der Jugendverbandsarbeit und des Sports, der offenen Kinder- und Jugendarbeit und soziokulturellen Bildung, der kulturellen Bildung, der MINT- und Umweltbildung, der demokratischen und historischen Bildung betrachtet sowie weitere non-formale und informelle Bildungsangebote dargestellt.
Aufgrund der positiven Erfahrungen seien weitere thematische Bildungsberichte geplant. Sie sollen die Themen Übergänge Schule-Berufsausbildung/Studium-Beruf, Erwachsenenlernen und frühkindliche Bildung aufbereiten. Der zweite Bildungsbericht zur Thematik Übergänge wird gerade erarbeitet. Die Veröffentlichung ist für diesen Herbst geplant. In den nächsten Jahren sollen Bildung und Lernen über die gesamte Altersspanne auf kommunaler Ebene dargestellt werden.
Jan Wiescholek hat klare Wünsche an „seinen“ Bericht: Er soll so intensiv wie möglich genutzt werden von Verwaltung, Bürgern und Politik. „Und ein Feedback fände ich für meine weitere Arbeit sehr gut!“ Gute-Nacht-Lektüre sei der Bericht vielleicht nicht (so auch die Einschätzung einer Jenaer Lokalzeitung), aber durch gute Zusammenfassungen und Grafiken dennoch einfach handhabbar.
Alexander Lorenz, Kommunalberatung Thüringen